Welche Themen werden den Beirat in den nächsten drei Jahren beschäftigen? An welchen Punkten wird es spannend werden?
Thiago de Carvalho Zakrzewski: Unser Leitbild ist die Agenda 2030, wobei wir sehen müssen, dass wir bis 2030 nur noch sechs Jahre haben. Der aktuelle Report der Vereinten Nationen sieht nicht besonders rosig aus und es sollte unser aller Ziel sein, die Anstrengungen jetzt noch einmal zu verstärken.
Allerdings haben die aktuellen geopolitischen Herausforderungen einen starken Einfluss auf die Entwicklungspolitik. Bis heute spüren wir die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und das wird auch noch viele Jahre so sein. Außerdem haben wir die ganzen kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit, nicht nur in der Ukraine oder im Nahen Osten. Und große Migrationsströme, ob nun als Binnenmigration oder in andere Länder, und das wird sich in Zukunft noch verstärken – nicht zuletzt aufgrund der Klimakrise, die natürlich auch ein sehr wichtiges Thema ist.
Dr. Gabriele Goldfuß: Was uns dabei aktuell auch interessiert, ist der Spillover-Effekt des russischen Angriffskriegs auf andere Regionen, beispielsweise auf die Republik Moldau, den Kaukasus, den westlichen Balkan. Es ist auch im Interesse des Beirats, ein Augenmerk darauf zu legen, was vor unserer Haustür passiert. Aber dafür brauchen wir auch das entsprechende Handwerkszeug. Bei der Ukraine wird zum Beispiel immer von Polen gesprochen, aber um etwas Trilaterales zu entwickeln, müssen wir nach wie vor auf unsere städtepartnerschaftlichen Instrumente und unsere eigenen Budgets zurückgreifen. Also, wenn wir wirklich europäischer agieren sollen, wie das BMZ das gerne möchte, müssen wir das miteinander gut reflektieren und die Möglichkeiten und Grenzen aller Partner*innen auf den Tisch legen.
Und mit Blick auf die Zukunft sollten wir mit der SKEW besprechen, welche Szenarien wir uns für die Zeit nach dem Ukraine-Krieg vorstellen und wie wir uns darauf vorbereiten können. Gerade die interkommunalen Brücken in die Ukraine sind da sehr wichtig, weil sie so nah an den Menschen sind.
Thiago de Carvalho Zakrzewski: Gleichzeitig stehen die Kommunen selbst vor großen Herausforderungen. Die kommunale Finanzierung – auch für Projekte im Bereich der Entwicklungspolitik – wird ein großes Thema sein. Kommunale Entwicklungspolitik ist ja keine Pflichtaufgabe für Kommunen. Gerade kleinere und mittelgroße Kommunen stehen da vor großen finanziellen Herausforderungen. Viele sind ohnehin schon in der Haushaltssicherung und es gibt einen extremen Investitionsstau bei der Nachhaltigkeitstransformation.
Dr. Gabriele Goldfuß: Und dann ist natürlich der politische Wandel in Deutschland spürbar – das haben diesen September die Landtagswahlen gezeigt. Im Herbst nächsten Jahres steht die Bundestagswahl an. Das ist eine Herausforderung, die auch den Beirat betreffen wird, weil wir dann mit einer Regierung in vielleicht anderer Zusammensetzung arbeiten werden. Dem sehen wir offen entgegen. Das ist das demokratische Miteinander, Wandel zu leben und gestalten.
Thiago de Carvalho Zakrzewski: Ein Ziel unseres Beirats ist es, in den nächsten drei Jahren das Bild der Entwicklungszusammenarbeit in der Gesellschaft wieder zu verbessern. In den letzten Monaten wurden dazu doch äußerst unsägliche Debatten geführt. Man nehme nur das Stichwort „Radwege in Peru“. Da werden eigentlich gar nicht die Zusammenhänge gesehen, also dass all unser Handeln hier globale Auswirkungen hat. Das müssen wir auch auf kommunaler Ebene und in der alltäglichen Verwaltungsarbeit klarmachen. Wenn sie hier die Leute auf der Straße fragen, was die SDGs und die Agenda 2030 sind, wette ich, dass noch immer 90 Prozent noch nie davon gehört haben, obwohl es die Ziele schon seit fast zehn Jahren gibt. Auch bei der Imageverbesserung des Standorts Deutschland, wenn es zum Beispiel um Arbeitskräfte aus dem Ausland geht, spielt Entwicklungspolitik eine wichtige Rolle. Aber dafür braucht es grundsätzliche Änderungen hinsichtlich der Finanzierung und personellen Ressourcen. Die Rahmenbedingungen müssen sich verbessern und das bedeutet nun mal hauptsächlich Geld.