Herr Antweiler, das LkSG ist das deutsche Gesetz zu den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen für ihre Lieferketten. Wieso sollten Kommunen davon betroffen sein?
Im LkSG heißt es ausdrücklich: Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das bedeutet, dass die Rechtsform keine Rolle spielt. Es sind sowohl juristische Personen des Privatrechts erfasst als auch juristische Personen des öffentlichen Rechts. Kommunen als juristische Personen öffentlichen Rechts fallen unter das LkSG, wenn sie Unternehmen sind. Die entscheidende Frage lautet damit: Ist das der Fall? Und hierzu gibt es gefestigte Rechtsprechung auf unionsrechtlicher Ebene, die diese Frage grundsätzlich bejaht. Sobald Kommunen wirtschaftlich tätig sind, sind sie Unternehmen.
Das wirft jetzt die nächste Frage auf, wann eine Kommune als wirtschaftlich tätig einzustufen ist.
Die Anforderungen dafür sind gering. Schon das bloße Halten von Beteiligungen ist eine unternehmerische Tätigkeit, wenn die Kommune als Gesellschafter steuernd eingreift – und das ist in aller Regel der Fall! Zwar verfolgen kommunale Gebietskörperschaften nicht primär finanzielle Ziele. Aber da sie mit ihren Beteiligungsunternehmen bestimmte Ergebnisse erzielen wollen , machen sie als Gesellschafter entsprechende Vorgaben und lassen sich über die Umsetzung berichten. Und diese Einflussnahme hat zur Konsequenz, dass die Tätigkeit der jeweiligen Kommune als wirtschaftlich einzuordnen ist.
Aber allein deshalb fällt man noch nicht unter das LkSG. Viele Kommunen haben doch eher kleine Unternehmen, die gar nicht in dessen Anwendungsbereich fallen!?
Sobald eine Kommune eine Kapitalgesellschaft – also eine GmbH oder eine AG – hat, fällt sie potenziell unter das LkSG. Das gilt selbst für gemeinnützige Einrichtungen der Stadt wie Krankenhäuser, wenn diese als gGmbH gegründet sind. Auch das ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, weil diese Dienstleistung auch von privaten Anbietern bereitgestellt wird, selbst wenn es sich dabei um eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge handelt. Das Gleiche gilt für kommunale juristische Personen des öffentlichen Rechts, die wirtschaftlich tätig sind, beispielsweise für Sparkassen. Wenn eine Kommune eine Sparkasse, ein Krankenhaus, einen Abfallwirtschaftsbetrieb oder ein Verkehrsunternehmen hat, dann beschäftigen diese zusammengenommen in der Regel mehr als 1.000 Arbeitnehmer*innen. Und in diesem Fall fällt dann auch die Kommune als deren Gesellschafter mit ihren Töchtern unter das LkSG.
Könnten Sie den Begriff „Konzern Kommune“ für uns erläutern?
Der Begriff wird verwendet in Anlehnung an den Konzernbegriff aus der Privatwirtschafft. Viele Kommunen haben bestimmte Bereiche ausgelagert, typischerweise die bereits genannten Aufgaben der Daseinsvorsorge, teilweise aber auch weitergehende Aufgaben wie Wohnungsbau. Soweit dafür Kapitalgesellschaften gegründet werden, braucht man jemanden, der diese steuert. Dazu werden Strukturen geschaffen wie in der Privatwirtschaft. Viele größere Kommunen haben hierfür eine Holdinggesellschaft. Diese kann ganz unterschiedliche Rechtsformen haben. Früher wurde häufig die Aktiengesellschaft gewählt; gegenwärtig tendiert man eher zur GmbH oder sogar zur AöR, weil hier die Möglichkeiten der Einflussnahme für die Kommune größer sind. Gerade diese Entwicklung zeigt, dass die Kommunen steuernd in ihre Beteiligungsunternehmen eingreifen wollen.
Macht es in Bezug auf das LkSG einen Unterschied, welche Rechtsform eine Kommune für ihre Holding wählt? Und was, wenn die Gesamtsteuerung einfach beim Büro des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin oder bei der Kämmerei liegt?
Die Rechtsform spielt keine Rolle. Wie bereits gesagt: Das LksG ist auf bestimmte Unternehmen ohne Rücksicht auf die jeweilige Rechtsform anwendbar. Und wenn die Kämmerei für die Gesamtsteuerung verantwortlich ist, dann handelt eben die Kommune selbst als Unternehmen.
Was ist eigentlich mit Kommunen, die als „Konzern“ nicht auf 1.000 Mitarbeitende kommen?
Die fallen dann natürlich nicht unter das LkSG. Hier verlagert sich das häufig auf die nächsthöhere Ebene. Viele Dienste werden dann beispielsweise übergreifend vom Landkreis für alle zu ihm gehörenden Kommunen bereitgestellt. Dann unterliegt der Landkreis dem LkSG , wenn er mehr als 1.000 Arbeitnehmer*innen hat.
Was folgt daraus für die faire Beschaffung, wenn eine Kommune oder auch ein Landkreis unter das LkSG fällt?
Das heißt zunächst einmal, dass die Pflichten nach dem LksG anwendbar sind. Hierzu gehören Grundsatzerklärung, Risikoanalyse und -management, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, Dokumentations- und Berichtspflichten sowie ein Beschwerdemanagement. Der Einkauf spielt beim Umgang mit Risiken, den zu ergreifenden Maßnahmen und natürlich im Bericht eine Rolle. Für ihre Compliance können die Kommunen schon eine ganze Menge machen, indem sie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Anforderungen in Bezug auf das LkSG stellen. Ich empfehle hier, die zu beschaffende Leistung unter Gesichtspunkten sozialer Nachhaltigkeit zu definieren und im Rahmen der Eignung von den Bietern Eigenerklärungen zu verlangen, dass sie ihre Pflichten nach dem LkSG einhalten. Dann kann die Kommune in dem Bericht, den sie veröffentlichen muss, sagen: „Wir achten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge streng darauf, dass bei uns ausschließlich Bieter zum Zuge kommen, die ihre Pflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vollumfänglich einhalten.“ Das ist eine reine Formalie.