Tamara Karp ist Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik in Dresden und koordiniert die kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit Brazzaville.
Frau Karp, wie hat die kommunale Klimapartnerschaft Ihre langjährige Partnerschaft mit Brazzaville verändert?
Die Klimapartnerschaft ist nur ein kleiner Teil unserer Partnerschaft, aber sie ist etwas Besonderes. Früher lag unser Fokus vor allem auf dem Austausch im kulturellen Bereich oder auf Hilfsprojekten, Spenden, Schulsanierungen. Letztlich aber war das immer etwas einseitig, wie eben früher Entwicklungshilfe so aufgebaut war. Mit der Klimapartnerschaft ist das nun anders. Mit ihr ist der Paradigmenwechsel in der Entwicklungszusammenarbeit auch in unserer Partnerschaft angekommen, das heißt beide Partner sollen profitieren. Der Klimawandel ist nun einmal ein globales Thema. Auch wir sind betroffen und brauchen Hilfe.
Wie können zwei so unterschiedliche Städte voneinander profitieren?
Die Auswirkungen des Klimawandels sind doch ähnlich: die zunehmende Hitze und Dürre, die sich verschiebenden Niederschlagsmuster und Hochwasser. Damit sind auch die Lösungen ähnlich und ein Transfer ist möglich, wie unser Handlungsprogramm zeigt. Manches funktioniert in Brazzaville vielleicht sogar besser, Photovoltaik-Anlagen zum Beispiel. Wir in Dresden mit unseren argentinischen Zwiebeln und brasilianischen Äpfeln können uns dagegen vom starken Fokus auf die lokale Erzeugung von Lebensmitteln in Brazzaville eine Scheibe abschneiden. Brazzaville hat ja den Milan Urban Food Policy Pact, ein internationales Abkommen zu Ernährungssicherheit in Städten, unterzeichnet und es gibt unheimlich viele verschiedene Formen von urbaner Landwirtschaft dort.
Und die Unterschiede?
Die Grundvoraussetzungen sind natürlich andere. Wir haben in Mitteleuropa das Glück, ein sehr angenehmes Klima und damit gute wirtschaftliche Entwicklungsbedingungen zu haben – auch wenn wir uns das nun selbst ein Stück weit kaputt gemacht haben. Da ist das Leben in den Tropen doch etwas anderes. Wie soll man den ganzen Tag auf dem Feld arbeiten, wenn es nun noch heißer wird. Auch die Urbanisierung in Brazzaville ist rasant. Die Wachstumsrate zwischen 2007 und 2023 lag bei 36 Prozent, das heißt die Bevölkerung ist von 1,5 auf 2,2 Millionen angewachsen. Da kommt die Stadtplanung der Stadtentwicklung einfach nicht hinterher. Sicherlich stehen auch wir vor enormen Herausforderungen und müssen beispielsweise Zuwanderung finanzieren, aber das ist doch ein anderes Ausmaß. Dazu kommt die ungleiche Ressourcenverteilung. Wir haben uns im Globalen Norden reich gemacht, teilweise auf Kosten des Globalen Südens. Das ist auch jetzt noch so, zum Beispiel durch Ausbeutung bei der Produktion von Konsumgütern und durch die Art und Weise, wie wir auf die Märkte Einfluss nehmen. Im Ergebnis haben wir nun bessere Möglichkeiten, uns mit technischen Lösungen an den Klimawandel anzupassen, während die Menschen in Brazzaville eigentlich viel stärker betroffen sind. Aus meiner Sicht ist Klimaschutz eigentlich Hauptaufgabe des Globalen Nordens. Auch im Globalen Süden ist das wichtig, aber dort sind die Emissionen ja eigentlich gar nicht so hoch und es geht vor allem um Klimafolgenanpassung.
Worin sehen Sie die größte Errungenschaft Ihres gemeinsamen Handlungsprogramms?
Ich glaube, die größte Errungenschaft ist die strategische Herangehensweise. Problemstellungen, die zunächst gar nicht bewältigbar erscheinen und vielleicht auch lähmen, werden damit auf die kleinste Ebene, die Maßnahmenebene herunter gebrochen. Das ermöglicht uns, ins Handeln zu kommen und so Schritt für Schritt unsere langfristigen Ziele zu erreichen. Die Maßnahmen, die wir formuliert haben, wirken ziel- und themenübergreifend. Außerdem haben wir unser Handlungsprogramm so strukturiert, dass wir jeweils zwei oder drei operative Ziele mit investivem Charakter haben und dazu ein operatives Ziel mit Sensibilisierungsmaßnahmen. Daraus können wir uns die Projektanträge, die wir bei der SKEW stellen wollen, quasi zusammenpuzzeln.
Wo liegen die Herausforderungen?
Man muss bedenken, Brazzaville ist heute eine Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohner*innen und wir sind eine Verwaltung, die kommunale Entwicklungszusammenarbeit als freiwillige Aufgabe macht. Zwar sind wir mit unserem Fördertopf für die Zivilgesellschaft in einer vergleichsweise luxuriösen Situation und wir haben die Fördermittel der SKEW. Aber diese riesengroße Stadt steht vor riesengroßen Herausforderungen. Und wie in ganz Afrika gibt es auch noch ganz andere Akteure auf dem Spielfeld, Akteure wie China oder Russland, die dort ihre geopolitischen Interessen verfolgen und sich das auch etwas kosten lassen. Da steht eine kommunale Partnerschaft vielleicht nicht immer an erster Stelle.