Niko Paech lehrt und forscht als außerplanmäßiger Professor an der Universität Siegen im Bereich der Pluralen Ökonomik. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Umweltökonomie, der Ökologischen Ökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung. Paech hat die Postwachstumsökonomie begründet. Der Begriff bezeichnet ein Wirtschaftssystem, das zur Versorgung des menschlichen Bedarfs nicht auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist. Seiner Meinung nach bedingen Wachstumsgrenzen wie Ressourcenknappheit, psychische Grenzen sowie ökologische Grenzen das Ende des Wachstums.
Dieses Interview ist Teil der Reihe „Fair begegnen - Fair gestalten. Unsere Gäste stellen sich vor“. Der Kongress der Ideen und Taten rund um den Fairen Handel findet vom 18. bis 20. September 2019 in Köln statt. Seien Sie dabei und melden sich bis 15. August an!
Was halten Sie von der These: Fair gehandelte Produkte sind immer teurer als konventionell produzierte Produkte?
Diese These halte ich für essentiell, in seltenen Fällen lässt sich ein Gegenbeispiel finden. Der seit Jahrzehnten aufgetürmte Konsumwohlstand ist das Resultat einer internationalen Spezialisierung, die dem Primat der Kostenminimierung folgt. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dort Produktionsstätten zu nutzen oder aufzubauen, wo mit minimalen – und definitiv nicht fairen – Arbeitslöhnen zu rechnen ist. Außerdem sind faire Anbau- und Produktionsmethoden, die kleinstrukturiert, zumal technologisch weniger aufgerüstet sind, nicht vereinbar mit den kostensenkenden Vorteilen industrieller Methoden. Folglich muss der faire Output teurer sein.
Wie könnte die Politik Verbraucherinnen und Verbraucher, die fair und nachhaltig konsumieren wollen, besser unterstützen?
Vergessen Sie die Politik. Sie ist insoweit handlungsunfähig, als sie der Bevölkerungsmehrheit Einschränkungen auferlegen müsste, um Nachhaltigkeitsfortschritte zu erwirken, die über reine Gewissensberuhigung oder ethisch korrekte Symbolik hinausreichen. Was politisch durchsetzbar wäre, entspräche einer Förderung rein additiver Maßnahmen. Geschenke tun niemandem weh. Aber die Unterbindung der nachhaltigkeitsdefizitären Praktiken wird damit kaum erreicht. Und nur die zählt. Wir brauchen also ein zivilgesellschaftliches Regulativ, nämlich eine vernetzte Bewegung der sich dem industriellen Steigerungswahn Verweigernden. Diese Elite könnte als lebendes und glaubwürdiges Kommunikationsinstrument wirksam werden: sie könnte einen kulturellen Wandel stimulieren. Alle bequemeren Wege sind längst ausprobiert worden und kläglich gescheitert.
Ihre drei Hauptargumente für nachhaltiges Handeln?
Nachhaltiges Handeln kann nur bedeuten, durch die eigene Lebensführung dem Wachstumsdogma entgegenzutreten, also einen individuellen CO2- und Öko-Rucksack aufzuweisen, der global übertragbar ist. Nachhaltig handeln sollten wir also Erstens weil: Die Menschen waren nie reicher, freier, gebildeter und gaben sich problembewusster – während sie zugleich nie ökologisch verantwortungsloser lebten. Ausreden, dass die Technik den Job erledigen würde, oder solche, dass kein menschengemachter Klimawandel existiert, sind unhaltbar. Grund Nummer zwei: Kein Mensch kann einen ökologisch ruinösen Wohlstand als verdient oder erarbeitet deklarieren. Er beruht auf maschineller Plünderung. Also würde ein genügsames Leben keinen Verzicht bedeuten, sondern die Rückgabe einer dreist beanspruchten Beute. Mein drittes Argument für Nachhaltigkeit: Ein nachhaltiges Leben entlastet uns von zweierlei Stress. Nämlich zum einen von dem Stress, ständig neue Ausreden für das zu finden, was wir tun, obwohl es nicht unseren Maßstäben entspricht. Zum anderen leiden wir unter zunehmender technischer, digitaler und konsuminduzierter Überlastung. Der Wohlstand hat uns nicht gutgetan. Eine maßvolle Reduktion würde uns von Reizüberflutung und Orientierungslosigkeit befreien.