Vor 20 Jahren war in Bonn das Zentrum für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit (ZKE) gegründet worden, fünf Jahre später etablierte sich die daran anknüpfende Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Dieses Jubiläum feierten zahlreiche Gäste mit der Servicestelle, der Stadt Bonn und dem Gustav-Stresemann-Institut (GSI) am 30. März 2017.
Das Zentrum für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit arbeitete zunächst ehrenamtlich in Räumlichkeiten des GSI. Dessen Direktor Dr. Ansgar Burghof erinnerte an die Gründungszeit: “Bonn hat sich nicht zuletzt durch die kommunale Entwicklungszusammenarbeit bundesweit als der Standort für Entwicklungszusammenarbeit und Nachhaltigkeit etabliert“. Die Herausforderungen veränderten sich, würden aber nicht weniger.
"Wir können alle stolz darauf sein, was im Themenfeld Kommunale Entwicklungspolitik geleistet worden ist. Programme müssen von unten entwickelt werden, mit den Kommunalvertretern, mit den Stakeholdern, das machen wir."
Dr. Stefan Wilhelmy, Bereichsleiter der SKEW
Dr. Doris Witteler-Stiepelmann vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) würdigte die Servicestelle als Kompetenzzentrum der kommunalen Entwicklungspolitik mit beeindruckendem Portfolio. Die Bedeutung der Kommunalen Entwicklungspolitik sei stetig gewachsen, Kommunen seien für das BMZ ein wichtiger strategischer Partner. Verglichen mit früher weise das Leitbild der Agenda 2030 den Kommunen heute eine viel verantwortungsvollere Rolle für nachhaltige Entwicklung zu. Ohne die Kommunen ließen sich die Ziele der Agenda 2030 nicht erreichen. Die SKEW sei dabei das Scharnier zwischen dem BMZ, den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden, den einzelnen Kommunen und den Nichtregierungsorganisationen. "Viele Probleme können nur auf lokaler Ebene gelöst werden. Deshalb muss Entwicklungspolitik zur Normalität im kommunalen Alltag werden", so Witteler-Stiepelmann weiter.
Dass neue entwicklungsbezogene Programme heute im BMZ daraufhin geprüft werden, wie die Kommunen eingebunden werden können, war vor 20 Jahren kaum vorstellbar. Gunter Hilliges, einer der Vordenker der kommunalen Entwicklungspolitik, erinnerte sich: Vertreterinnen und Vertreter von Städtetag und Bundesregierung hätten zwar an den ersten Veranstaltungen teilgenommen - aber privat und nicht in offizieller Funktion - zu revolutionär schien die Idee. Entwicklungspolitik wurde damals, wie die Diplomatie, als hoheitliche Aufgabe des Bundes gesehen. Kommunale Entwicklungspolitik umwehte gar der Ruch, verfassungswidrig zu sein, so Hilliges.
Dr. Maria Hohn-Berghorn, ehemaliges Mitglied im ZKE-Leitungsgremium, erzählte: “1997, als wir ein Konzept für internationale Kontakte entwickelt hatten, bin ich zu einem Kollegen beim BMZ gegangen, aber der hat überhaupt nicht verstanden, was wir wollten“.
Die Haltung des Ministeriums habe sich erst in den 80er Jahren durch den Schwerpunkt der Armutsbekämpfung und die Maxime “Hilfe durch Selbsthilfe“ geändert. Erst da rückte das kommunale Umfeld ins Bewusstsein, erinnerte sich Hans Pakleppa, der erste Geschäftsführer des ZKE. Die Bemühungen waren erfolgreich: 2001 konnten die ehrenamtlichen Strukturen des Zentrums in die heutige Servicestelle überführt werden - ein Neuaufschlag, den Ulrich Nitschke als ihr erster Geschäftsführer verantwortete. Entscheidend für den Erfolg war aus seiner Sicht die Beteiligungsstruktur, die sicherstellte, dass “die Nichtregierungsorganisationen auch mitreden durften“. Bedauerlich sei aber gewesen, dass die Arbeit von Umwelt- und Entwicklungsministerium trotz Rio- und Agendaprozess damals nicht enger miteinander verflochten werden konnten. “Heute kommt durch die SDGs noch die kulturelle Dimension dazu“. Vielleicht gelingt es, die Werteorientierung in die künftige Entwicklung zu integrieren, hofft Nitschke.
Mit den Erfolgen sind die inhaltlichen Ansprüche gewachsen. Michael Marwede, der in der SKEW heute das Arbeitsfeld Fairer Handel und Faire Beschaffung betreut, begrüßt es, dass kommunale Partnerschaften heute mehr Tiefgang haben. “Es geht um einen inhaltlichen Diskurs im Kontext dessen, was wir gemeinsam verantworten«, sagte Marwede.
Auch der Bürgermeister der Stadt Bonn, Reinhard Limbach, würdigte die Erfolge. “Gäbe es die Servicestelle nicht, müsste man sie erfinden“. Für die Zukunft erhofft er sich, dass die Kommunen noch enger in die Programmarbeit eingebunden werden. Auch forderte er, noch mehr darauf zu achten, „die Wünsche und Bedürfnisse unserer Partner im Globalen Süden zum Maßstab unseres eigenen Handels zu machen“.
Dass man über den eigenen Tellerrand blicken muss, darauf wies auch Dr. Stefan Wilhelmy, Bereichsleiter der SKEW, hin: »Europäischer Austausch ist ein ganz wichtiges Element». So gebe es Bestrebungen, den Hauptstadtwettbewerb zum Fairen Handel zu europäisieren. »Wir haben auch einen intensiven Austausch zum Thema Migration mit europäischen Partnern. Das Lernen gemeinsam mit europäischen Partnern muss wieder gestärkt werden«, sagte Wilhelmy.
Hans-Christoph Boppel von der NRW-Landesvertretung in Brüssel sieht die Entwicklungspolitik international vor erheblichen Herausforderungen. Nicht nur, dass der US-Präsident die amerikanischen Beiträge zu USAID drastisch verringern wolle, auch die EU vollziehe eine Kehrtwende: vom Kampf gegen Hunger und Armut hin zur Migrationsabwehr. “Meine Hoffnung ist, dass die Kommunen zum Träger der wirklich guten Entwicklungszusammenarbeit werden“, so Boppel.
Christiane Overmanns vom Ausschuss für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) geht es um den besonderen kommunalen Ansatz bei der Projektumsetzung: “Was wir machen, ist Austausch auf Augenhöhe, d. h. unsere Problemstellungen, unsere Experten mit der Partnergemeinde auszutauschen, um dadurch für beide Seiten zu Erkenntnissen und besseren Lösungen zu kommen.“
Auf dem Podium sowie bei den Diskussionen im und mit dem Publikum wurde deutlich, dass die kommunale Entwicklungspolitik heute wichtiger ist denn je, besonders angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Kommunen, so ein Fazit der Tagung, betreiben Daseinsvorsorge in allen Lebensbereichen - mit Schnittstellen zu allen 17 Nachhaltigkeitszielen. Damit halten sie den Schlüssel zu mehr globaler Nachhaltigkeit in den Händen.
“Ich gratuliere der SKEW zu ihrem Jubiläum und ihren Erfolgen. Mit dem in Deutschland vorhandenen Wissen und der Kompetenz vieler Engagierter können wir gemeinsam viel größere Wirkungen in den Entwicklungsländern erzielen als alleine durch die staatliche Zusammenarbeit. Ich freue mich auf viele Jahre der weiteren Kooperation“.
Dr. Doris Witteler-Stiepelmann, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(Text: Sabine Hammer)