Die Bundesregierung hat das im Koalitionsvertrag vorgesehene Lieferkettengesetz in den Bundestag eingebracht. Das geplante Gesetz soll große deutsche Unternehmen verpflichten, bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten. Dass dies kurz vor dem Welttag für soziale Gerechtigkeit der Vereinten Nationen am 20. Februar 2021 geschah, mag ein Zufall sein. Der Welttag erinnert an die Erklärung zu sozialer Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung. Sie besagt, dass Arbeit keine Ware ist, und Staaten, Arbeitgebende und Arbeitnehmende gemeinsam gute Arbeitsbedingungen schaffen sollen. Bislang wurde in Deutschland vor allem auf freiwillige Maßnahmen von Unternehmen gesetzt, die durch staatliche Anreize, wie die Einbindung von sozialen und ökologischen Kriterien in die öffentliche Beschaffung, unterstützt werden. Jetzt fordern Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft unternehmerische Sorgfaltspflichten gesetzlich und verbindlich zu verankern.
Ist mit dem aktuellen Lieferkettengesetz der Beitrag Deutschlands und deutschen Unternehmen zu einer fairen Globalisierung erfüllt und werden staatliche Maßnahmen wie eine nachhaltige öffentliche Beschaffung überflüssig? Nein – diese Meinung vertritt Tim Stoffel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Seiner Ansicht nach ist das geplante Lieferkettengesetz der Bundesregierung weit weniger ambitioniert als von vielen, die sich dafür einsetzen erhofft und wie ursprünglich vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorgeschlagen. Es soll nur für eine kleine Zahl sehr großer Unternehmen gelten. Zudem ist vorgesehen, dass die Sorgfaltspflicht nur die erste Stufe der Lieferkette betrifft. Ökologische Kriterien werden voraussichtlich nicht einbezogen. Gleichzeitig ist man vom Klagerecht für Betroffene abgerückt. Damit steht laut Stoffel zu befürchten, dass die tatsächliche Veränderung unternehmerischen Handelns gering ausfällt.
Das eingebrachte Gesetz bleibt sogar hinter den in einigen Bundesländern geltenden Vorgaben und der Praxis vieler Kommunen für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung zurück. Faire Löhne, soziale Absicherung sowie gesunde und sichere Arbeitsbedingungen sind nicht ausreichend Teil der Überlegungen zu einem deutschen Lieferkettengesetz. Bereits jetzt fordern Kommunen in konkreten Ausschreibungen zum Teil mehr und weitergehende Kriterien und berücksichtigen häufig soziale und ökologische Kriterien gemeinsam.
Selbst ein umfassenderes Gesetz wäre nach Einschätzung des DIE-Mitarbeiters nur ein Element des ‚smart mix‘. Lieferkettengesetze sind Bausteine einer fairen Globalisierung, die Unternehmen dazu verpflichten, Managementsysteme für soziale und ökologische Aspekte in ihren Lieferketten aufzubauen. Wichtiger noch als mögliche Bußgelder bei Verstößen seien die Maßnahmen, die in Unternehmen und Kommunen umgesetzt werden, um die eigene Lieferkette zu verstehen und mit allen Akteuren an der Verbesserung von Arbeitsbedingungen zu arbeiten.
Dieser Beitrag ist in ausführlicher Form zuerst erschienen auf der Website des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE).