Frau Sommer, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine währt nun ein Jahr – mit verheerenden Folgen für die Menschen vor Ort. Ihre Kommune ist mit der Stadt Truskavets in der West-Ukraine durch eine Städtepartnerschaft verbunden. Wie ist die Situation vor Ort? Konnten Sie Ihre Partnerkommune in den letzten Monaten unterstützen?
Unsere Partnerstadt Truskavets selber war bisher nicht Ziel von Bombenangriffen betroffen, aber die Stadt hat eine sehr hohe Zahl an Geflüchteten aus der Ost-Ukraine aufgenommen. Tatsächlich haben wir ab dem ersten Tag des Angriffskriegs auf die Ukraine angefangen zu helfen. Zu Beginn haben wir vor allem Spenden gesammelt und Hilfslieferungen für den gesamten Landkreis Celle koordiniert: Hygieneartikel, Nahrungsmittel, Winterkleidung, Schlafsäcke, Matratzen, um Schutzsuchenden in unserer Partnerstadt über die erste Zeit zu helfen. Die Hilfsbereitschaft in unserer Kommune war überwältigend. Viele Menschen haben Geld oder Sachgüter gespendet, beim Packen und Beschriften geholfen. Wir konnten insgesamt fünf LKWs losschicken, deren Fracht an der polnisch-ukrainischen Grenze umgepackt wurde und dann nach Truskavets gelangte. Dabei standen wir sowohl in ständigem Kontakt mit dem Bürgermeister von Truskavets, Andrij Kultschynskyj, und konnten zusätzlich auf die Hilfe unserer polnischen Partnerkommune Limanowa zählen.
Mit Limanowa in Polen und Truskavets in der Ukraine pflegt die Samtgemeinde Wathlinen eine Dreieckspartnerschaft. Hat diese Konstellation in der aktuellen Situation geholfen?
Die Partnerschaft mit Limanowa hat uns in all den Monaten sehr geholfen. Logistisch, sprachlich und auch finanziell. Limanowa liegt südöstlich von Krakau, etwa 80 km von der polnisch-ukrainischen Grenze entfernt. Nachdem wir in den ersten Wochen rund um die Uhr selber Sachspenden gesammelt und gepackt hatten, sind wir in einer nächsten Unterstützungsphase dazu übergegangen, Geldspenden nach Limanowa zu schicken (immer mit Siegel und Gegenzeichnung), von denen Lebensmittel gekauft und tausende Mahlzeiten gekocht wurden. In Konserven abgefüllt wurde das Essen dann in Reisebussen nach Truskavets gebracht. Für den Balanceakt, immer zu überprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, war es sehr hilfreich, in unserer Partnerstadt in Polen Menschen an der Seite zu haben, die Entscheidungen mitgetragen, Geld zugeschossen und einfach mitangepackt haben. Das war eine Riesenentlastung.
Sind die Beziehungen nach Truskavets durch den Krieg enger geworden? Wie geht es weiter?
Die Beziehungen haben sich auf jeden Fall intensiviert. Nach wie vor skype ich wöchentlich mit meinem Amtskollegen Andrij Kultschynskyj. Es wird aber auch schwieriger, noch weitere Hilfe auf die Beine zu stellen. Die Stimmung in Deutschland hat sich verändert. Wir bekommen kaum noch Spendengelder, weil sich die Menschen hierzulande durch Inflation und steigende Energiekosten um ihre eigene Situation sorgen. Es ist sehr schwierig, das dem Bürgermeister in der Ukraine zu vermitteln. Dort sind die Sorgen natürlich viel existentieller und man muss immer auch bedenken, dass die Verwaltung dort überhaupt keine Einnahmen mehr hat. Für den 24. Februar 2023, den Jahrestag des Kriegsbeginns, rufen wir gemeinsam mit den Kirchen und mit Engagierten aus der Zivilgesellschaft wieder zu einer Friedensdemonstration auf – um ein Zeichen zu setzen und die Bevölkerung zusammenzuholen. Dass wir hier in unserer Samtgemeinde fest zusammenstehen, ist die Voraussetzung dafür, weitere Hilfe für die Ukraine leisten zu können.
Was nehmen Sie für Ihre Kommune aus der Partnerschaft mit trotz der aktuell so belastenden Situation?
Immer wieder die Gewissheit, dass man eine Menge Schätze heben kann, wenn Menschen helfen wollen. Und damit meine ich nicht nur finanzieller Art, sondern eben auch das Gemeinschaftsgefühl. Füreinander einstehen, füreinander da sein und gucken, wo man auch mit beschränkten Mitteln noch weiter helfen kann.