Herr Mützel, was war die Vorgeschichte beziehungsweise der Auslöser, um eine Klimapartnerschaft mit einer Stadt des globalen Südens einzugehen?
In Neumarkt findet eine ausgeprägte Eine-Welt-Arbeit statt. Das hat mit dem örtlichen Eine Welt Laden zu tun, der seit über 30 Jahren aktiv und inzwischen ein eingetragener Verein mit einem Laden in guter Geschäftslage ist. Die Vorsitzende des Vereins, Ruth Dorner, ist Stadträtin und war eine zeitlang auch Bürgermeisterin. Sie hat das Thema „Eine Welt und fairer Handel“ 2004 in die Stadtpolitik eingebracht. Gemeinsam haben wir die Themen „Globale Gerechtigkeit“ und „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ vorwärts gebracht, zunächst auf der Leitbildebene, aber nach und nach auch auf der Projektebene.
Es war uns immer ein Anliegen, nicht nur den Fairen Handel bekannter zu machen, sondern auch die Menschen zu sehen, die hinter den fairen Produkten stehen. Wir haben daher bereits öfters Gäste aus afrikanischen Ländern, aus Südamerika, und so weiter gehabt - das waren jedoch veranstaltungsbezogene, relativ kurzfristige Begegnungen. Auf die Idee einer langfristigen Partnerschaft hat uns dann das Eine Welt Netzwerk Bayern - die Dachorganisation für die Eine-Welt-Initiativen hier in Bayern - gebracht. Ausschlaggebend war letztendlich, dass es eine Partnerschaft gibt zwischen dem Freistaat Bayern und der Westkap-Provinz in Südafrika. Damit war der Rahmen für uns vorgegeben.
Während einer offiziellen Delegationsreise der Westkap-Regierung nach Bayern vor sechs Jahren ist die Idee entstanden, eine Partnerkommune auszuwählen. Drakenstein wurde uns damals vom Beauftragen der bayerischen Staatsregierung als Partnergemeinde empfohlen.
In dieser Zeit landete zufällig eine Ausschreibung für Kommunale Klimapartnerschaften der Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global auf meinem Schreibtisch. Dies war ganz entscheidend. Denn gerade am Anfang stellen sich auch Finanzierungs- und Umsetzungsfragen. So haben wir dann beides zu einer Bewerbung verknüpft und gleichzeitig mit Drakenstein Kontakt aufgenommen. So ist die Saat dann aufgegangen.
Was waren für Sie die wichtigsten persönlichen Erfahrungen?
Delegationen aus Drakenstein waren schon mehrfach bei uns. Auch wir haben unsere Partner schon besucht, zuletzt im April dieses Jahres zum fünfjährigen Jubiläum der Partnerschaft. Und das Schönste ist immer diese freundschaftliche Begegnung auf Augenhöhe. Mittlerweile kennen wir uns ganz gut und diese gegenseitige Gastfreundschaft ist die Basis, die die Partnerschaft so auszeichnet. Dies zeigt sich auch darin, dass wir in fünf Jahren Einiges geschafft haben, Ideen in Förderanträge gegossen haben und parallel derzeit fünf gemeinsame Projekte durchführen. Diese Projektarbeit verbindet und dass wir in relativ kurzer Zeit so viel erreicht haben, ist für mich schon erstaunlich.
Wie wirkt sich die Kooperation auf ihre eigene Arbeit, die Verwaltung wie auch auf die Stadtentwicklung in Neumarkt aus?
Im Moment ist es so, dass wir auf der Verwaltungsebene eng zusammenarbeiten: Wir haben ein FKKP-Projekt, ein NAKOPA-Projekt, ein vom Kleinprojektefonds gefördertes Projekt und kürzlich fand eine Delegationsreise zum Thema Abfallmanagement von Drakenstein nach Neumarkt statt.
Was uns noch etwas fehlt, ist eine bessere Verankerung des Themas in der Gesellschaft. Wir suchen noch Menschen, die so eine Partnerschaft weiter tragen. Der Eine Welt Laden hat auf eigene Kosten bereits eine Bildungsreise nach Drakenstein organisiert und aus der Wirtschaft kenne ich den ein oder anderen, der Beziehungen nach Südafrika hat, doch stehen wir da noch am Anfang.
Erste Ansätze gibt es bereits: So haben wir gemeinsam mit Drakenstein einen Klimaparcours entwickelt – in Englisch und Deutsch. Den setzen wir hier wie dort in unserer Bildungsarbeit ein. Die Frage „Was bedeutet Klimawandel für Südafrika?“ ist hier mit aufgenommen worden.
Auch die Delegationsreise zum Thema Abfallmanagement ist keine einseitige Unterstützung. Wir stehen in Deutschland zwar mit den technischen Lösungen zum Abfallrecycling super da. Gleichzeitig gehören wir zu den Ländern, die pro Kopf am meisten Abfall produzieren – einfach durch unser Konsumverhalten. Ich hoffe, dass wir in Zukunft durch die Partnerschaft stärker reflektieren, zum Beispiel zum Thema Klimawandel oder Abfallproduktion, was unsere Lebensweise für andere bedeutet. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist dabei der Schlüssel!
Ein weiteres Thema: Wir sind ja seit 10 Jahren FairTrade-Stadt. Jetzt wollen wir erreichen, das Drakenstein FairTrade-Stadt wird. Im Eine Welt Laden wird inzwischen der Partnerschaftswein aus Fairem Handel, der von einem Weingut in Drakenstein stammt, verkauft. Weitere Produkte sollen nach und nach dazu kommen. Wir hoffen, dass wir uns so gegenseitig bereichern.
Angefangen bei unserem Oberbürgermeister Thomas Thumann über Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrates bis hin zu den Mitarbeitenden in der Stadtverwaltung: Diejenigen, die stärker in die Partnerschaft eingebunden sind, erhalten einen neuen Blick auf die Stadtentwicklung in Neumarkt.
Die Partnerschaft mit Drakenstein weitet unseren Blick in Neumarkt dahingehend, dass Projekte hier globale Auswirkungen haben können und wir unsere Entscheidungen und Planungen mehr und mehr auf Nachhaltigkeit hin ausrichten. Das ist ein spannender Lernprozess!
Was würden sie einer Kommune empfehlen, die eine Klimapartnerschaft eingehen möchte?
Ich würde erstmal schauen, wo es Anknüpfungspunkte für eine Klimapartnerschaft gibt! Ist beispielsweise schon ein örtlicher Verein aktiv, der bereits Kontakte in eine Kommune im Süden hat oder gibt es einen übergeordneten Rahmen – zum Beispiel wie bei uns mit Bayern und der Westkap Provinz?
Eine Kommune sollte schauen, welche Schwerpunkte sie zu bieten hat, was sie behandeln möchte und in wieweit dies in eine Globale Partnerschaft passt. Möglicherweise kann es gut sein, sich von Anfang an breiter aufzustellen. Wir haben zwar mit einer Klimapartnerschaft begonnen, behandeln aber inzwischen auch Aspekte des fairen Handels, soziale Themen und die Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Der faire Handel verbindet beispielsweise unsere beiden Kommunen und ein neuer Ansatzpunkt von uns ist das weltwärts-Programm, um mehr junge Leute für ein globales Engagement zu motivieren.
Durch eine breitere Aufstellung der Kommune lässt sich der Sinn einer Globalen Partnerschaft auch leichter nach außen vermitteln.