Ist der Klimawandel auch einer der Hauptauslöser für Migrationsbewegungen?
Wenn Menschen, Haushalte oder ganze Gruppen die Entscheidung treffen, ihre Heimat zu verlassen, kommen unterschiedliche Faktoren zusammen. Es gibt verschiedenste Treiber für Migration – zum Beispiel ökonomische Treiber, wenn die Lebensgrundlagen in Gefahr sind, oder politische Treiber, wenn die politische Situation in einem Land oder einer Region instabil ist. Der Klimawandel kann existierende Migrationsdynamiken verstärken, weil er sich auf solche Treiber auswirkt. Im Extremfall, beispielsweise bei schweren tropischen Wirbelstürmen, wird er auch zum alleinigen Treiber von Migration, wenn Menschen um Leib und Leben fürchten müssen. Auch graduelle Verschlechterungen durch den schleichenden Verlust von Lebensgrundlagen können Vertreibungen nach sich ziehen. Klimamigration verläuft meist innerhalb von Staaten, häufig aus ländlichen Regionen in städtische Gebiete. Gerade nach schweren Extremwetterereignissen kann es sein, dass viele Menschen zur gleichen Zeit migrieren. Ihre vorläufige Endstation sind dann häufig städtische Slums, weil es nicht genügend adäquaten Wohnraum gibt und es an finanziellen Mitteln fehlt. Die Zielkommunen sind oft mit der Ankunft so vieler Menschen überfordert.
Diese Migrationsbewegungen tragen aber nicht nur Konsequenzen für die migrierenden Menschen selbst und die Kommunen, die die Migrant*innen aufnehmen, sondern auch für die Herkunftsorte. Häufig migrieren zuerst die Personen, die fit sind und bessere finanzielle Kapazitäten haben. Genau diese Menschen fehlen dann in ihrer Herkunftskommune – als Arbeitskraft in der Landwirtschaft oder in den Familien. Häufig verlassen erst die Männer und Familienväter in der Hoffnung ihre Heimat, ihre Familien aus der Ferne durch Geldsendungen zu unterstützen. In den Herkunftsorten führt das nicht selten zu einer extremen Belastung und Verantwortung für die zurückbleibenden Frauen – insbesondere dann, wenn die erhofften Geldsendungen ausbleiben.
Das Thema Migration bewegt aktuell viele Kommunen. Kann man sagen, dass der Klimawandel auch ein Treiber für internationale Migrationsbewegungen ist?
Die meisten Menschen migrieren innerhalb ihres eigenen Landes. Die Bewohner*innen des Ahrtals, die von der Flut betroffen waren, suchten weitestgehend auch Zuflucht in der Region. Eine Mehrheit will dort wiederaufbauen, wo sie vorher gelebt haben und haben die Hoffnung, nach der Vertreibung möglichst bald zurückzukehren. Das ist Realität für Menschen in Deutschland wie auch im Globalen Süden.
Bei längerfristiger Migration oder permanenter Umsiedlung entsteht die Frage, ob es die Migrierenden schaffen, sich in den Empfängergemeinden in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ihren Lebensstandard zu halten oder sogar verbessern können. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern geraten die Menschen im neuen Umfeld in einen Unterbietungswettbewerb mit den Bewohner*innen ihrer Zielkommune. Dann kann es zu weiteren Migrationsbewegungen kommen, auch über Ländergrenzen hinweg. Die Gruppen, die dann migrieren, sind dann vielleicht nicht die, die vorher vom Sturm vertrieben worden sind, sondern eher diejenigen, die mit den indirekten Folgen dieser Migration zu kämpfen haben. Man muss aktuell hinterfragen, warum immer mehr Menschen zum Beispiel aus Pakistan oder aus Bangladesch den Versuch unternehmen, nach Europa zu kommen. Gibt es da ein Klimasignal oder nicht? Das lässt sich nicht komplett ausschließen, es ist jedoch sehr schwierig, eindeutige Belege dafür zu identifizieren.