Charkiw wird energieeffizienter

Seit 1990 verbindet eine Städtepartnerschaft Nürnberg mit Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Seit drei Jahren unterstützt Martin Messner die Partnerschaftsarbeit im Rahmen des Programms „Fachkräfte für kommunale Partnerschaften (FKPW)“ und berät die Stadtverwaltung Charkiw zu Fragen der kommunalen Wirtschaftsförderung.

Zu Beginn seines Einsatzes war die politische Situation infolge der Krimkrise und des Konfliktes in der Ostukraine äußerst angespannt. Die traditionell stark mit Russland verflochtene Wirtschaft lag am Boden, westliche Investoren schienen auf Jahre verschreckt. Nicht die besten Voraussetzungen für die Fachkraft, um neue Wirtschaftskontakte anzubahnen und dringend notwendige Investitionen einzuwerben. Dennoch erkannte Martin Messner schnell einen Bereich mit nicht nur großem Aufholbedarf, sondern auch mit Zukunftspotenzial, der außerdem die Möglichkeit bot, eine themenspezifische Kooperation zwischen Nürnberg und Charkiw anzustoßen: Energieeffizienz im Kommunalbereich.

Da passte es gut, dass die SKEW mit dem „Schnellstarterpaket Ukraine“ fast zeitgleich ein vollfinanziertes Förderinstrument zur Umsetzung von Kleinprojekten zwischen deutschen und ukrainischen Kommunen ins Leben rief. Gemeinsam mit seiner ukrainischen Kollegin Olga Demianenko und seinem Kollegen Konstantin Demenkov aus der Abteilung für Internationale Zusammenarbeit konnten die Führungskräfte beider Städte überzeugt werden, die bereitstehenden Fördermittel für eine Kooperation im Bereich Energieeffizienz einzusetzen.

Am Beginn standen erste Studienreisen nach Charkiw und Nürnberg, auf der sich Energiefachleute aus beiden Städten mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen und Erfahrungen austauschen konnten. Erklärtes Ziel des Gemeinschaftsprojektes war es, einen Aktionsplan auszuarbeiten. Dieser sollte bis ins Jahr 2030 nicht nur die Grundlage für die energieeffiziente und klimafreundliche Entwicklung der Stadt Charkiw bilden, sondern auch als Basis für die Erschließung neuer Finanzierungsquellen für Investitionen in die kommunale Infrastruktur dienen. Im Zuge des Vorhabens wurden Bereiche mit bedeutenden Sparpotentialen ausgemacht, wie bspw. die mehr als 450 heizungsintensiven Bildungseinrichtungen Charkiws oder die völlig veralteten Pumpsysteme der städtischen Wasserwerke.

Als dann die KfW Entwicklungsbank neue Kreditmittel für Investitionen in ukrainischen Kommunen freimachte, war Charkiw mit dem fertigen Aktionsplan und einer Machbarkeitsstudie klar im Vorteil gegenüber mitbewerbenden Kommunen. Im Ergebnis gelang es Martin Messners Abteilung, sich mit der KfW auf Darlehen in Höhe von 16 Millionen Euro für die energetische Sanierung von 60 Kindergärten und Schulen sowie 32 Millionen Euro für die Erneuerung der energieintensiven Wasserpumpen zu verständigen. „Ohne Anschubfinanzierung der SKEW wären dieser und andere Erfolge nicht möglich gewesen“, verweist Messner rückblickend auf die zentrale Bedeutung von Förderinstrumenten im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Doch auch die themenspezifische Zusammenarbeit mit Nürnberg soll im Rahmen des SKEW-Programms „Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte (Nakopa)“ eine Fortsetzung finden. Dabei ist geplant, eine zentrale Straße in Charkiw als Pilotmodell energieeffizient, sicher und fußgängerfreundlich zu gestalten. Neben dem Einsatz von energieeffizienter Technik sollen vor allem Schulungen und Workshops dazu beitragen, das Fachwissen der Kommunalbediensteten zu vertiefen und die Bevölkerung für den sparsamen Umgang mit Energieressourcen zu sensibilisieren.

Die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre haben die politischen Entscheidungsträger Charkiws kürzlich dazu veranlasst, eine eigenständige „Abteilung für die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und Finanzinstituten“ zu gründen. Geleitet wird diese von den beiden Kolleginnen und Kollegen Martin Messners und verfügt mittlerweile über sieben Vollzeitstellen und eigenes Budget. „Diese Entwicklung ist eine schöne Anerkennung unserer Arbeit und gleichbedeutend ein Karrieresprung für Olga und Konstantin. Die geschaffenen Strukturen stellen die begonnenen Kooperationen auf eine stabile Basis und ermöglichen es, in Zukunft eigenständig Projekte zu akquirieren und umzusetzen“, verweist Martin Messner auf die Nachhaltigkeit seines Einsatzes.

Wenn es nach dem Willen der Fachkraft geht, sollen in seinem letzten Vertragsjahr vermehrt privatwirtschaftliche Investoren in den Fokus seiner Arbeit rücken. Die wirtschaftliche Lage im Land hat sich nach zahlreichen Reformen der Regierung deutlich verbessert und die Ukraine rückt langsam wieder in den unternehmerischen Fokus. „Charkiw verfügt als Universitätsstadt über eine hervorragend ausgebildete Bevölkerung, niedrige Lohnkosten und gute Infrastruktur, einschließlich eines modernen Flughafens und Anbindung an die Europäische Union“, hebt Messner die Vorzüge Charkiws hervor. Mit der neuen Abteilung hat Charkiw jetzt auch mehr Kapazitäten, die Vorteile des Standortes international und besonders in der Nürnberger Unternehmerschaft zu bewerben. Dazu ist eine Delegationsreise von Leitungskräften Nürnberger Unternehmen nach Charkiw ebenso geplant wie ein jährlich stattfindendes internationales Wirtschaftsforum.

Die Kontakte und Kooperationen mit Entwicklungsorganisationen und -banken vor Ort sollen ebenfalls weiter vorangetrieben werden. In einem kürzlich in englischer Sprache erschienenen „Investitionskatalog“ werden mehr als 20 Investitionsprojekte vorgestellt, welche die Stadt Charkiw unter Heranziehung von externen Finanzmitteln bereits umsetzt bzw. umsetzen möchte. Dazu wurden von den Kommunalbetrieben konkrete Projektvorschläge angefragt, für deren Umsetzung insbesondere die finanziellen Ressourcen fehlen. Martin Messner erhofft sich durch diese Maßnahme ähnliche Kooperationserfolge, wie sie der Aktionsplan im Bereich Energieeffizienz bereits hervorgebracht hat.

Die finanziellen und personellen Instrumente zur kommunalen Förderung wie das „Schnellstarterpaket Ukraine“, der Einsatz einer Integrierten Fachkraft im Rahmen des Programms „Fachkräfte für kommunale Partnerschaften weltweit“ (FKPW) sowie die gut etablierte Städtepartnerschaft Nürnberg-Charkiw haben sich im konkreten Fall hervorragend ergänzt und in Kombination einen echten Entwicklungserfolg für die Stadt Charkiw ermöglicht. Die Fähigkeit von Martin Messner, sich den Gegebenheiten anzupassen, realistische Ziele zu setzen und diese mit Geduld und Hartnäckigkeit zu verfolgen, hat Einiges zu beigetragen.