Neben der Landesverteidigung gibt es hoheitlich nationalstaatliche Aufgaben, wie die Reparatur und Modernisierung internationaler Flughäfen, von Bundesstraßen, Brücken und andere große Infrastrukturprojekte mit überregionaler Wirkung.
Ein großer Teil der Aufgaben liegt dabei auf lokaler, kommunaler Ebene. Deswegen soll sich der Fokus des Wiederaufbaus vom Staat zur Gemeinde verschieben, meint Oleksander Markuschyn, Bürgermeister von Irpin, einer Stadt, die zu 70 Prozent zerstört wurde. Markuschyn teilt seine Erfahrung vom Wiederaufbau: „Wir haben drei Prinzipien beim Wiederaufbau. Erstens müssen wir das schnell machen, zweitens - qualitativ, drittens - wir müssen die volle Transparenz der Mittelverwendung garantieren. Wir bearbeiten Projektierungsunterlagen, aber wir haben gar nichts zu tun mit den Ausschreibungen oder Finanzen, das machen unsere europäischen Partner.“
Bereits jetzt leisten Städte und Kommunen Großartiges in der zivilen Versorgung ihrer Bevölkerung: Durch die Aufrechterhaltung der Elektrizitäts- und Trinkwasserversorgung, durch die Abwasser- und Abfallentsorgung, durch die Fortführung der schulischen Bildung unter schwierigen Bedingungen, durch Wärmeräume im Winter, durch die Aufnahme und Integration von Binnengeflüchteten sowie die medizinische Versorgung Kriegsverletzter und die therapeutische Behandlung traumatisierter Menschen. Dies wird einerseits durch einen enormen gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglicht und den ungebrochenen Willen, in Freiheit zu leben und sich nicht vom russischen Terrorregime unterdrücken zu lassen. Andererseits hilft der Dezentralisierungsprozess in der Ukraine, der bereits wenige Wochen nach der sogenannten „Revolution der Würde“ im April 2014 eingeleitet wurde. Eine umfassende Neuverteilung staatlicher Finanzen und Kompetenzen an örtliche Selbstverwaltungsorgane sowie eine dynamische Neuordnung des ukrainischen administrativen Systems durch den fortschreitenden Zusammenschluss früherer Kleinkommunen in größere, tragfähigere Territorialgemeinden hat seitdem die öffentlichen Dienstleistungen spürbar verbessert, die lokale Demokratie gestärkt und trägt nun auch dazu bei, die derzeitige Last zu schultern.
Durch das Kriegsrecht ist dieser Prozess ins Stocken geraten. Eine in diesem Jahr beschlossene Kürzung der Steuereinnahmen von Kommunen zugunsten der Zentralregierung zeugt sogar von einer gegenläufigen Tendenz und trifft besonders kleine Städte in der Ukraine hart. Vitaliy Klitschko, Bürgermeister von Kyjiw und Vorsitzender des ukrainischen Städteverbandes, wird daher nicht müde zu betonen, dass staatliche Reformen den großen Investitionen in den Wiederaufbau vorausgehen müssen. Das sind aus seiner Sicht die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung, Rechtstaatlichkeit und die Reform der Staatsanwaltschaft sowie die Korruptionsbekämpfung.
Diese wichtigen Reformen, wenn implementiert, werden die Heimkehr der Geflüchteten zurück in die Ukraine fördern, sagt Klitschko. „Unsere Menschen im Ausland sind unser höchstes Gut. Es ist sehr wichtig, dass diese Menschen zurückkehren. Sie kehren zurück, wenn es in der Ukraine Frieden, auskömmlichen Arbeitslohn und kommunale Dienstleistungen auf europäischem Niveau gibt“, meint der Bürgermeister Kyjiws.