Bekommen Sie in Ihrer Arbeit als psychologische Psychotherapeutin mit, dass das alles passiert?
Oh ja! Wir als Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bekommen sehr deutlich mit, dass die Menschen zunehmend belastet sind. Mit Corona hat es angefangen und seitdem ist es immer mehr geworden. Wenn jemand bei uns in der Praxis und auch bei anderen Anfragen nach Beratung beziehungsweise Behandlung stellt, ist das immer mit Wartezeit verbunden. Es gibt viele Menschen, die aktuell Unterstützung bräuchten, aber therapeutisch nicht versorgt werden können.
Sie sind aktiv bei den „Psychologists for Future“. Was bedeutet das?
Psychologists for Future sind eine Vereinigung von deutschlandweit über 1000 Psychologinnen, Psychologen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die einen Beitrag zur Bewältigung der Klima- und Nachhaltigkeitskrise leisten wollen. Dazu bringen wir unser Fachwissen ein. Warum kümmert sich niemand hinreichend um die Bewältigung dieser Katastrophen, obwohl sie bedrohlich und wirklich sind? Und warum zieht die Politik oft wirtschaftliche Interessen vor? Wir haben den Anspruch, über die Mechanismen aufzuklären, die hinter dem menschlichen Verhalten im Zusammenhang mit den Krisen stehen.
Wie gehe ich damit um, wenn ich aufgrund meiner beruflichen Position intensiv in Krisen involviert bin? Gerade Menschen, die in Kommunalverwaltungen arbeiten, haben und hatten mit Corona-Maßnahmen, Hilfslieferungen in die Ukraine oder Klimaschutzprojekten zu tun. Die können sich ja nicht komplett rausziehen…
Klare Strukturen sind wichtig. Die Arbeit sollte räumlich und zeitlich vom Privatleben getrennt sein. Wenn ich frei habe, habe ich frei, wenn ich nicht in der Arbeit bin, arbeite ich nicht. Diese strikte Trennung ist durch die Pandemie erschwert worden. Viele Menschen arbeiten seitdem flexibel vom Home Office aus. Psychologisch gesehen kann das der Worst Case sein. Wer unter Arbeitsstress leidet, sei es verursacht durch Heimarbeit oder Überlastung, ist bei einer Supervision gut aufgehoben. Auch Erfahrungsaustausche, wo die Teilnehmenden über ihre ähnlichen Erlebnisse berichten, können hilfreich sein. Ansonsten gilt im Privaten wie im Beruflichen: legen Sie Pausen ein, tun Sie sich etwas Gutes. Auch Bewegung und frische Luft helfen dabei, handlungsfähig zu bleiben.
Etwas Positives zum Schluss?
Selbst wenn Ihnen eine Krise wie die Klimakrise unendlich groß und unlösbar erscheint: tun Sie etwas dagegen! Es tut gut, wenn man sich für die Werte einsetzt, für die man steht. Dabei sollte man sein eigenes Engagement nicht unterschätzen. Zum einen bringt es oft sehr wohl etwas und zum anderen mobilisiert man oft mehr Menschen als man denkt. Nicht jede Nachahmerin oder jeder Nachahmer, den Sie zum Handeln inspiriert haben, erzählt Ihnen davon…
Interview: Daniela Ramsauer, freie Journalistin, erstellt im Dezember 2022.