Ein Blick auf die kommunale Ebene zeigt: Die Beteiligung diskriminierter und marginalisierter Gruppen aller Altersklassen an der Stadtplanung ist kein leichtes Unterfangen, da es ein interdisziplinäres Thema ist und viele Bereiche der Verwaltung wie auch politische Entscheidungen betrifft. Erfolgreiche Beispiele aus Kanada und Skandinavien zeigen, dass dies gut funktioniert, wenn
- der Anteil von Frauen in Parlament und Verwaltung bei 40 Prozent und mehr liegt
- Gender-Mainstreaming in der Stadtverwaltung strukturell und personell verankert ist
- diese Verankerung durch Strategien und Richtlinien untermauert wird
- und es prominente Unterstützung durch Führungskräfte gibt, zum Beispiel durch eine Bürgermeisterin oder eine Verwaltungsdirektorin.
Um die Repräsentanz von Frauen auf kommunaler Ebene zu verbessern, beschritt Tunesien im Rahmen seines Demokratisierungsprozesses einen vorbildlichen Weg: 2014 verabschiedete das tunesische Parlament einen Änderungsantrag, der eine stärkere Vertretung von Frauen im lokalen politischen Leben gewährleistet. Demnach müssen alle Wahllisten der tunesischen Kommunalwahlen eine gleiche Anzahl von Frauen und Männern umfassen und die Posten der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie deren Stellvertretungen paritätisch besetzt sein. Bei den Kommunalwahlen im Mai 2018 wurde dies umgesetzt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurde mit Souad Abderrahim eine Bürgermeisterin für die Hauptstadt Tunis gewählt, die erste Bürgermeisterin einer Hauptstadt in der arabischen Welt. Im Stadtparlament sitzen jetzt annähernd 50 Prozent Frauen. In ganz Tunesien waren seitdem etwa 20 Prozent der Stadtregierenden Frauen. Leider sind aber auch aufgrund massiven Drucks und Drohungen inzwischen einige der Bürgermeisterinnen von ihrem Amt zurückgetreten. Dies zeigt auch, dass diese sozialen Transformationsprozesse sehr schwierig sein können und nicht immer linear verlaufen.
Deutschland ist im Vergleich dazu noch ein „Entwicklungsland“. Innerhalb von zehn Jahren ist der Anteil an Oberbürgermeisterinnen eingebrochen, von 17,7 Prozent im Jahr 2008 auf 8,2 Prozent im Jahr 2017. Seitdem stagniert er bei circa 9 Prozent (Stand September 2021). Nicht einmal jedes zehnte Rathaus wird von einer Frau regiert. Vor diesem Hintergrund treffen sich am 13. September 2022 Kommunalpolitikerinnen zum „2. Deutschen Frauenkongress kommunal“ in Hildesheim. Ziele sind, nachhaltige Netzwerkstrukturen aufzubauen, Vorbilder und Wegbereiterinnen sichtbar zu machen, Mentoringprogramme zu initiieren und weiblichen Nachwuchs zu gewinnen. Vielleicht wird ja auch die Quote wieder ein Diskussionsthema.
Etwa 130 Länder haben in unterschiedlichen Regelungen und auf unterschiedlichen Ebenen bereits Quoten eingeführt. In diesen Ländern steigt nachweislich der Anteil der Frauen in den Parlamenten. Und Studien zeigen: Auf kommunaler Ebene gibt es eine klare Korrelation zwischen einem hohen Frauenanteil in Parlament und Stadtverwaltung und einer gender-sensitiven Stadtentwicklung.