Wie waren die Reaktionen Ihrer Mitarbeiter*innen?
Am Anfang waren sie schon sehr skeptisch und teilweise auch ablehnend. Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Arbeitsbelastung insgesamt sehr hoch ist, gerade bei denjenigen, die viele Produkte beschaffen. Unser Bauamt zum Beispiel läuft am Anschlag. Dann noch schauen zu müssen, welche Produkte mit welchen Siegel erhältlich sind, hat bei den Mitarbeiter*innen erst einmal zu Zurückhaltung geführt. Im zweiten Schritt aber, als die Leute sich mehr mit dem Thema befasst hatten, haben die meisten auch den Sinn dahinter gesehen. Um die Umsetzung praktikabel zu machen, haben wir entschieden, uns an Siegeln zu orientieren. Diese sind eine relativ einfache Möglichkeit abzuprüfen, ob ein Produkt für uns passt oder nicht, oder eben einfach nach Produkten mit diesen Siegeln zu suchen.
An einigen Stellen haben wir uns Partner*innen oder Dienstleister*innen gesucht und entsprechende Routinen aufgebaut. Zum Beispiel beziehen wir über einen Onlineversand Kaffee mit einer hohen Wertschöpfung in Äthiopien. Beim zweiten Workshop zum Thema Lebensmitteleinkauf sind wir außerdem einfach in den Supermarkt rüber gegangen, der bei uns schräg gegenüber liegt und haben geschaut, welche Produktalternativen es gibt. Wir bemühen uns da, eine einfache Lieferung oder Abholung für bestimmte Produkte hinzubekommen. Denn für die Mitarbeiter*innen ist eben auch klar, dass sie nicht fünf Kilometer fahren, um im Bioladen einzukaufen, wenn sie mal schnell einen Tee oder Milch für eine Sitzung brauchen.
Sie gehen also eher flexibel mit der Beschaffungsrichtlinie um?
Unsere Prämisse war von Anfang an, das umzusetzen, was gut möglich ist. Wenn es aber an bestimmten Stellen nicht zielführend oder nicht wirtschaftlich ist oder eben nicht geht, dann eben nicht. Wenn man Produkte zum Beispiel von weit her beschaffen müsste, nur weil sie ein Siegel haben, dann halten wir es für sinnvoller, ein regionales Unternehmen zu wählen, das anständig produziert. Zum Beispiel im Baubereich ist es tatsächlich noch recht schwierig. Es gibt zwar recycelten Zement, aber der ist einfach noch nicht so in der Breite verfügbar, dass man das bei einer Ausschreibung berücksichtigen könnte. Hier schauen wir aber zum Beispiel verstärkt darauf, dass die Mitarbeiter*innen der Baufirmen, die ja oft von weit weg herkommen, ordentlich untergebracht sind und gute Arbeitsbedingungen haben. Eine Baufirma, die aktuell bei uns im Kanalbau arbeitet, hat zum Beispiel eine Vier-Tage-Woche. So können die Arbeiter*innen von Freitag bis Sonntag zu ihren Familien fahren. Wir bestehen also nicht auf Biegen und Brechen auf Produkte mit Siegel des fairen Handels. Außerdem wollen wir langjährige Partnerschaften mit Dienstleister*innen keinesfalls in Gefahr bringen. Mit diesen besprechen wir eher, was man noch besser machen könnte. Ich glaube, das hat die Akzeptanz der Beschaffungsrichtlinie sehr gestärkt. Zum Beispiel haben wir bei der Feuerwehrkleidung überlegt, auf fair zertifizierte Kleidung umzustellen. Von unserem derzeitigen Lieferanten haben wir dann aber erfahren, dass die aktuelle Kleidung ausschließlich in Europa produziert wird. Das sind nun zwar noch nicht Fairtrade-Stoffe oder Biostoffe, aber so kann man halt auch einen Feuerwehrkommandanten mitnehmen und für das Thema sensibilisieren.
Woher kommen die Ideen?
Es gibt bei uns verschiedene Antreiber*innen. Unsere zweite Bürgermeisterin bringt immer wieder Ideen ein. Und eben die Kolleg*innen aus den verschiedenen Bereichen. Zum Beispiel hat die Bauabteilung zu Spielplatzgeräten recherchiert und geprüft, welches Material wir für die Bänke und Spielgeräte nehmen. Wir haben uns jetzt für Robinie entschieden und beauftragen ein lokales Unternehmen für die Herstellung. Die Mitarbeiter*innen im Kindergarten haben vorgeschlagen, den Kindern nur noch einmal im Jahr ein Geschenk zu machen, dafür aber dann hochwertiger. Diese Ideen kommen einfach von den Mitarbeiter*innen, denn alleine am Tisch fällt einem so etwas ja nicht ein. Diese Eigeninitiative versuchen wir zu fördern. Es ist wichtig, die Lust bei den Mitarbeiter*innen zu entfachen, tolle Lösungen und tolle Produkte zu finden, an die man vielleicht vorher noch nicht gedacht hat. Wie die Kollegin, die Platzgestaltungsmaterialien mit recyceltem Kunststoff heranschafft und zudem stolz darauf ist, dass das Unternehmen auch Menschen mit Behinderung beschäftigt. Dabei muss man den Leuten auch immer wieder sagen, dass wir nicht immer das Günstigste nehmen müssen und wollen. Wir haben den Vorteil, dass wir eine relativ wohlhabende Kommune sind. Daher sind wir auch bereit, mehr Geld auszugeben, wenn etwas werthaltig ist und länger hält.