Im Rahmen unseres Programms „Fachkräftefonds für kommunale Partnerschaften weltweit“ sind Sie als Fachkraft in Simbabwe. Was ist Ihre Aufgabe in Harare?
Ich arbeite eng mit der Verkehrs- und Transportabteilung Harares zusammen und unterstützte die Stadt dabei, die Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Wir versuchen das über den Ausbau des Fahrradverkehrs und indem wir einen Mobilitäts-Masterplan entwickeln.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich arbeite von zwei Büros aus. Das eine befindet sich in der Innenstadt, das andere in den Räumen der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in deren Auftrag ich hier bin. Ursprünglich sollte ich nur im Büro der Verkehrs- und Transportabteilung in der City arbeiten. Da haben wir allerdings ein Problem: es gibt dort kein Internet! Ich kann keine E-Mails schreiben, keine digitalen Angebote einholen und auch nicht an Online-Meetings teilnehmen; also all diese Dinge, die heute Bestandteil der täglichen Arbeit sind. Um diese erfüllen zu können, gehe ich vormittags ins Büro in die Innenstadt, nachmittags bin ich dann bei der GIZ. Eine gute Lösung! Die ist sicher unvorstellbar für viele Menschen, die in Europa leben und arbeiten. Viele denken gar nicht mehr daran, dass sie sich einfach treffen können und miteinander sprechen. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen in Harare tue ich das sehr oft. Das Team ist aufgeschlossen und kreativ. Ich liebe es, hier zu arbeiten und zu leben.
Sie sind in Harare um die Verkehrssituation dort zu verbessern. Wie ist die Lage aktuell?
Der öffentliche Nahverkehr ist unstrukturiert, Linienbusse gibt es kaum. Also fahren alle, die ein Auto haben, mit diesem. Das führt zu chaotischen Zuständen. In der Innenstadt ist es laut, voll und unübersichtlich. Menschen von Außerhalb meiden deshalb das Zentrum. Ein Grund für dieses Chaos ist, das Harare kein funktionierendes öffentliches Verkehrssystem hat. Die Linienbusse sind in die Jahre gekommen und es gibt zu wenige um den Bedarf zu decken. Als Lösung nutzen viele Menschen das System Mushika-shika. Es ist ein privates und illegal organisiertes Transportsystem. Als Transportmittel werden Privatautos genutzt. An illegalen Checkpoints steigen die Leute ein und lassen sich zum gewünschten Ziel fahren. Die Autos sind überfüllt. In einem Wagen, in dem normalerweise fünf sitzen, fahren zehn oder mehr Personen mit. Mushika-shikas sind zu voll, fahren zu schnell und sind marode. Sie sind für mich das größte Übel in einem nicht funktionierenden Verkehrssystem.
Abgesehen von den Mushika-shikas – was stört noch?
In Harare gibt es große Probleme mit der Elektrizität, oft haben wir nur ein paar Stunden am Tag Strom. Was schon für den Alltag der Menschen schwierig ist, zum Beispiel weil die Kühlschränke nicht funktionieren oder in den Wintermonaten die Heizung ausfällt, ist auch für das Verkehrssystem eine Katastrophe. Weder Ampeln noch Straßenbeleuchtung funktionieren. Wer nachts unter solchen Bedingungen auf den Straßen Harares unterwegs ist, riskiert sein Leben. Ich bin hier, um dieses System zu verbessern. Als Fachkraft und gelernte Architektin analysiere ich die Verkehrssituation und setze die Straßenkarte neu auf. Das wurde das letzte Mal im Jahr 1858 gemacht. Das aktuelle Landkartensystem stammt also noch aus der Kolonialzeit. Als ich im Januar 2022 hier angefangen habe, konnte ich es gar nicht glauben!
Sie setzen auch auf Fahrräder…
Ja, ich glaube sie sind ein gutes Mittel, um die Verkehrssituation zu entspannen. Sie können Fortbewegungsmittel für die Menschen sein, die kein Auto haben oder gerne öffentliche Verkehrsmittel nutzen würden. Kinder könnten auf Ihnen zur Schule fahren. Damit diese Vision Wirklichkeit werden kann, muss in Harare aber noch viel passieren. Es muss Licht auf den Straßen geben. Die Autofahrerinnen und Autofahrer müssen angewiesen werden, wie sie sich Radfahrenden gegenüber verhalten sollen. Trotz dieser Probleme hat Harare viel Potential für den Radverkehr. In der Kolonialzeit waren Fahrräder hier sehr beliebt. Und die alten Radwege gibt es immer noch. Sie müssen nur erneuert werden. Insgesamt ist Harare eine flache Stadt, man kann hier also ohne Mühe Radfahren. Von der Verkehrsabteilung aus haben wir eine Umfrage unter den Einwohnenden gestartet: Habt ihr Lust Radzufahren? Die Antworten lauten übereinstimmend: ‚Ja, aber noch nicht jetzt, weil es zu unsicher ist'. Also versuchen wir die Lage zu verbessern. Schauen, welche Straßen ausgebessert werden müssen und kooperieren mit den Schulen, um die Wege für die Kinder sicherer zu gestalten.
Wir sind auch im Gespräch mit Stakeholdern. Von der ersten Umfrage unter ihnen war ich überrascht: 30 Menschen aus der Zivilbevölkerung, viele Künstler, NGOs und Unternehmen – eine sehr vielfältige Gruppe hat zugesagt, dass sie uns unbedingt unterstützen möchte. Aufgrund dieses Zuspruches haben wir uns 2022 entschieden, einen „Tag des Fahrrads“ zu veranstalten. Normalerweise dauert es ewig, bis Aktionen wie diese umgesetzt wird. Wir waren blitzschnell und es war ein voller Erfolg! Wir haben Straßenzüge für Autos zugemacht und für Fahrräder und Menschen geöffnet. Selbst die Skeptikerinnen und Skeptiker, die aufs Auto setzen, sind am Ende begeistert durchgelaufen und haben die neuen Räume genutzt. Sie haben miteinander gesprochen, Zumba und Yoga auf der Straße gemacht und des einfach genossen. ‚Wann machen wir das wieder'? Diese Frage wurde mir im Anschluss oft gestellt.
Warum ist Ihre Rolle in der Städtepartnerschaft Harare-München wichtig?
Ich ermutige beide Seiten, Informationen auszutauschen; sei es schriftlich, telefonisch oder digital. Ich bin dabei, wenn sich die Städtepartnerinnen und -partner persönlich treffen. Der letzte Vor-Ort-Austausch, war im September 2022, da reiste eine Delegation aus Harare nach München. Die Münchnerinnen und Münchner haben uns Statistiken über ihre Verkehrssituation präsentiert. Nach damaligem Stand starben in München 22 Personen im Jahr bei Verkehrsunfällen. In Harare sind es mehr als 2.000 jährlich! Meine Kolleginnen und Kollegen waren erstaunt, als sie erfuhren, dass München die „Vision zero“ umsetzen will; also, dass es keine Unfälle mit tödlichem Ausgang mehr gibt. In Harare ist so etwas aktuell vollkommen unrealistisch. Solche Situationen finde ich im Austausch zwischen Städten sehr spannend. Das Leben, die Pläne und die Träume sind komplett unterschiedlich. Genau deshalb ist es wichtig, dass man sich austauscht. Nur so lernt man die Realität der Anderen kennen. Wenn sie Harare besuchen, sehen die Gäste aus Deutschland, dass man durchaus problemlos ohne Internet arbeiten kann. Der Gegenbesuch aus Harare sieht, dass es tatsächlich möglich ist, sich sicher und einfach mit dem Fahrrad in einer Großstadt zu bewegen.
Wie wichtig sind Sie als Person in diesem Projekt?
Ich bin essentiell für die Kommunikation. Für die GIZ habe ich in vielen Ländern zahlreiche Projekte umgesetzt. So habe ich gelernt, dass der Austausch zwischen den Beteiligten nicht immer glatt läuft. Es braucht eine Person, die übersetzt. Nicht die Sprache, sondern die Ideen. Sie zum Beispiel könnten bei den Kolleginnen und Kollegen in Harare ohne mich als Vermittlerin anrufen. Doch es ist nicht garantiert, dass sie bei der richtigen Ansprechperson landen. Wenn Sie mich im Vorfeld fragen, sage ich Ihnen, an wen Sie sich wenden können. Durch meine Vermittlung verläuft die Kommunikation unkomplizierter und direkter. Eine weitere wichtige Aufgabe ist, dass ich den Leuten Raum zum Arbeiten verschaffe. Ich setze Termine für Team-Meetings, vereinbare Treffen mit Stakeholdern. Zuletzt habe ich mich sehr gefreut, als ein Kollege nach einem Meeting sagte: ‚Das war keine Zeitverschwendung, dass wir alle zusammen gesessen haben. Es hat sich wirklich gelohnt. Danke fürs Ausmachen!‘ Solche Aussagen bestätigen mir, dass meine Arbeit in Harare gut und wichtig ist.