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Gute Gründe für faire Beschaffung in der Kommune

Bonn, 16. Oktober 2023

Sie wollen den Fairen Handel und die faire Beschaffung zum Thema in Ihrer Kommune machen? Und nun überlegen Sie, wie Sie Mitstreiter*innen für die Idee gewinnen? Wir haben Argumente gesammelt, mit denen Sie in Ihrer Verwaltung und in der Kommunalpolitik für die Chancen einer Kommune werben können, die soziale Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten fördert und verantwortungsvoll beschafft.

Miniatur-Einkaufswagen versehen mit einem Schild mit der Aufschrift "fair beschafft". Im Hintergrund ein Bildschirm, Tastatur und eine Weltkugel.
Wieviel Fairness im Einkaufswagen liegt, können Kommunen steuern. Foto: Saurabh Narang

Kommunen sind wichtige Akteure, wenn es darum geht, Globalisierung nachhaltig, fair und mit den Menschen zu gestalten. Sie selbst gehören zur Verbraucherseite. Ihre Kaufentscheidungen nehmen Einfluss auf Produktions- und Handelsbedingungen und damit auf das Leben vieler Menschen. Immer mehr Kommunen haben die damit verbundenen Chancen erkannt und gehen ihre Verantwortung an. Die Handlungsoptionen sind dabei vergleichsweise klar. Es geht um eine faire Beschaffungspraxis, um Dialoge mit Anbietern und um ein Klima in der Kommune, in dem fairer Handel gedeiht. Für die Umsetzung braucht es überzeugte und engagierte Menschen und eine entsprechende politische Rückendeckung. Mit den folgenden Argumenten wollen wir Ihnen helfen, die Idee des Fairen Handels und der fairen Beschaffung in Ihrer Kommune zu säen und Mitstreiter*innen für erste Schritte zu gewinnen.

Fünf Argumente für fairen Handel in der Kommune

Fairer Handel ist ein attraktives Handlungsfeld für uns – griffig, effektvoll und einfach zu starten.
  • Fairer Handel setzt in der Praxis an: Es geht um ganz bestimmte Produkte aus dem kommunalen Alltag. Auch die positiven Wirkungen sind direkt sichtbar und lassen sich bis zu den Menschen zurückverfolgen, die die Produkte angebaut, abgebaut oder hergestellt haben. Ein resonanzreiches und wirkungsvolles Handlungsfeld also, um sich als Kommune für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen.
  • Fair handeln als Kommune reicht von klein bis groß. Fair gehandelter Kaffee für die nächste Ratssitzung oder fair gehandelte Produkte für das Stadtfest sind kein großer Aufwand, aber trotzdem ein erster Schritt. Von da können sich Kommunen zu einer umfassenden sozial nachhaltigen Beschaffung vorarbeiten.
  • Schon kleine erste Schritte entfalten Wirkung und eignen sich, um das ganze Thema aufzurollen. Verwaltung, Politik und die eigenen Bürger*innen werden so für globale Zusammenhänge sensibilisiert und Handlungsoptionen innerhalb der Kommune sichtbar.
Mit einer fairen Beschaffung können wir wirklich etwas bewirken!
  • Das Beschaffungsvolumen von Kommunen ist beachtlich. Zusammen geben sie pro Jahr bis zu 350 Milliarden Euro aus. Mit dieser Marktmacht können Kommunen zu Recht mehr soziale Nachhaltigkeit von Anbietern einfordern – alleine oder in Einkaufsgemeinschaften. Denn wo eine Nachfrage ist, da wächst auch das Angebot.
  • Mal konkret: Viele der von Kommunen beschafften Produkte werden unter problematischen sozialen und ökologischen Bedingungen gewonnen oder hergestellt. Dies betrifft zum Beispiel Natursteine, verschiedene Rohstoffe in Nutzfahrzeugen und IT-Geräten oder auch Arbeitsbekleidung. Im Lebensmittelbereich wären die Abnahmemengen an fairen Produkten ebenfalls nicht klein, wenn man allein an Schulen, KiTas und kommunale Veranstaltungen denkt.
  • Wenn eine faire Beschaffungspraxis dann noch sichtbar gemacht wird, kann dies andere mitziehen und anregen, ihr Einkaufsverhalten ebenfalls zu überdenken: kommunale Unternehmen, aber auch die Gastronomie, den Einzelhandel oder gar die ansässigen großen Unternehmen. Nicht zu vergessen die Menschen in den Kommunen.
Der Rahmen ist da und wir springen auf einen rollenden Zug.
  • Das Vergaberecht ermöglicht es längst, soziale Kriterien zu berücksichtigen und soll dahingehend noch weiter geschärft werden. Die Nachhaltigkeitsstrategien von Bund und Ländern haben zudem die Leitplanken für kommunales globales Engagement gesetzt. Den ganz großen Rahmen bildet SDG 12 der Agenda 2030, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zum Ziel hat.
  • Auch auf dem Markt gerät einiges in Bewegung. Das neue deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zum Beispiel verpflichtet Unternehmen, soziale Nachhaltigkeit zu prüfen. Für viele Bedarfe gibt es schon zertifizierte Produkte. Immer mehr Gütezeichen entstehen und vereinfachen die faire Beschaffung. Bei anderen Produkten können sich Kommunen auf bestimmte Bauteile oder Rohstoffe konzentrieren. Auch dies sendet klare Signale an den Markt.
  • Das Modell der Fairtrade-Town beispielsweise bietet einen guten Einstieg in das Themenfeld. Der Weg zur Zertifizierung umfasst konkrete und niedrigschwellige Schritte. Die Auszeichnung ist eine gute Grundlage für den weiteren Ausbau des Engagements.
Nicht handeln ist sicher die schlechtere Alternative.
  • Die globalen Folgekosten ausbeuterischer, nicht nachhaltiger Rohstoffgewinnung und Produktion sind offenkundig: zerstörte Lebensräume, Armut, Migration und Flucht. Diese fallen letztlich wieder auf die öffentliche Hand und dabei oft die lokale Ebene zurück.
  • Fairer Handel dagegen fördert die lokale und regionale Wirtschaft im Globalen Süden und schafft mit menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen und existenzsichernden Einkommen gute Lebensverhältnisse.
  • 60 Prozent der von der Agenda 2030 formulierten Nachhaltigkeitsziele können nur mit den Kommunen Realität werden! Wenn sie nicht gemeinsam handeln, könnte es schwer werden.

 

Klassische Gegenstimmen und was sie entkräftet

Faire Beschaffung ist mit hohen Kosten verbunden. Das können wir uns nicht leisten.
  • So pauschal kann man das gar nicht sagen. Der Preisunterschied zur konventionellen Beschaffung hängt vom jeweiligen Produkt ab. Fair gehandelte Lebensmittel sind im Einkauf meist teurer. Fair zertifizierte Natursteine zum Beispiel kosten dagegen nur geringfügig mehr. In einigen Fällen hat dies damit zu tun, dass bei fairen Produkten überflüssiger Zwischenhandel wegfällt.
  • Insgesamt müssen die Gesamtkosten eines Produkts bedacht werden. Konventionelle Produkte haben oft höhere Lebenszykluskosten als nachhaltige Alternativen. Dies zeigt unter anderem eine Studie des Öko-Instituts e.V. für das Land Berlin. Bei langfristig genutzten Produkten relativieren sich die höheren Einkaufskosten zudem über die Zeit.
  • Letztlich geht es um alle Folgekosten eines Produkts: die sozialen, die ökologischen und die ökonomischen. Von einer nachhaltigen Beschaffung, die diese Dimensionen einkalkuliert, werden langfristig alle profitieren.
Wir sind doch zu einer wirtschaftlichen Beschaffung verpflichtet.
  • Das Vergaberecht ist eindeutig: Kommunen dürfen qualitative, umweltbezogene und eben auch soziale Kriterien in ihre Vergaben einbinden.
  • Sozial nachhaltige Beschaffung ist außerdem politisch gewollt. Der aktuelle Koalitionsvertrag und die 2022 gestartete Reform des Vergaberechts haben auch soziale Nachhaltigkeit im Blick. Damit wird sich ein nachhaltigeres Wirtschaftsverständnis in der öffentlichen Beschaffung weiter durchsetzen.
Erhalten wir dann überhaupt noch gute Angebote?
  • Für viele sensible Produktgruppen gibt es schon eine gute Auswahl – bei Lebensmitteln zum Beispiel, bei Natursteinen oder auch bei Arbeitsschutzkleidung. Gütezeichen, die den Kriterien der Vergabeverordnung entsprechen, helfen diese zu erkennen.
  • Bei anderen Produkten wie zum Beispiel Nutzfahrzeugen, die im ÖPNV oder der Grünpflege gebraucht werden, gibt es zumindest fair produzierte Bauteile oder Rohstoffe. Hier können Kommunen im Dialog mit Anbietern erfragen, welche davon Kriterien sozialer Nachhaltigkeit entsprechen. Auch so kann der Markt aktiv gesteuert und in die richtige Richtung bewegt werden, ohne die Angebotsauswahl zu sehr einzuschränken.
Sicherlich werden die Vergaben dadurch noch aufwendiger. Dafür haben wir keine Kapazitäten.
  • In Sachen Beschaffung sind Kommunen bereits Expertinnen. Bei der fairen Beschaffung geht jetzt darum, Fairness und Nachhaltigkeit als weitere Kriterien in den Vergabealltag aufzunehmen.
  • Es gibt viel Unterstützung und gute Praxisbeispiele, die inspirieren. Auf der Online-Plattform Kompass Nachhaltigkeit zum Beispiel finden sich konkrete Hilfestellungen in Form von Ausschreibungsbeispielen oder Informationen zu Gütesiegeln.
  • Die SKEW bietet Unterstützung, unter anderem durch Schulungen und spezielle E-Learning-Angebote für Beschaffungsverantwortliche oder auch mit Rechtsberatung bei größeren Vergaben. Ein Teil des Aufwands kann also ausgelagert werden.
Damit schaden wir der heimischen Wirtschaft. Sollten wir uns nicht um Regionales bemühen?
  • Für Produkte, die vor Ort verfügbar sind, ist das sicherlich richtig und der regionale Markt sollte gefördert werden.
  • Viele der von Kommunen bezogenen Produkte sind vor Ort jedoch gar nicht erhältlich oder enthalten Rohstoffe und Produktkomponenten aus dem Globalen Süden. Bei diesen geht es darum, die Einhaltung sozialer Kriterien in den Lieferketten einzufordern.
Als kleine Kommune können wir sicher nicht viel ausrichten.
  • Kleinvieh macht auch Mist! Außerdem können sich kleine Kommunen mit größeren Kommunen oder im Landkreis zu Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen. Das stärkt die Position auf dem Markt und hilft bei der Gestaltung der Ausschreibungen.
  • Gerade kleine Kommune sind besonders nahe an ihren Einwohner*innen und können diese mit gutem Vorbild für ein verantwortungsvolles Einkaufsverhalten sensibilisieren.
  • Es gibt schon tolle Beispiele dafür, dass auch kleine Kommunen etwas bewirken können. Die Broschüre „Fair beschaffen. So machen es kleine Kommunen“ von FEMNET e.V. gibt Tipps.
  • Es gibt bereits viele kleine Fairtrade-Towns und der Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels“ hat seit 2023 eine eigene Kategorie für kleine Kommunen. Exzellenz hängt nicht von der Größe ab!

Unterstützung für Ihre nächsten Schritte

Sie haben es geschafft, Ihre Stadtspitze und Kolleg*innen zu überzeugen? Hier finden Sie Hilfen, wie es weitergehen kann.

Unsere Qualifizierungsangebote zur fairer Beschaffung

Austausch mit anderen Kommunen im Netzwerk Faire Beschaffung

Detailinformationen zur fairen Beschaffung mit dem Kompass Nachhaltigkeit

Persönliche Beratung und Prozessbegleitung durch unser Team

Kontakt

Ashley Klein
Telefon: +49 228 20 717-2409
ashley.klein@engagement-global.de

Karna Wegner
Telefon: +49 228 20 717-2674
karna.wegner@engagement-global.de

Weitere Informationen

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Dieser Beitrag ist Teil unseres aktuellen Themenschwerpunkts Hauptstädte des Fairen Handels 2023 – Projekte, Ideen und Inspiration.

Lesen Sie hierzu auch die folgende Beiträge:

Die drei Gewinnerkommunen im „Hauptstadtwettbewerb 2023“ stellen sich vor

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Sonderpreis Geschlechtergerechtigkeit: „Inshuti – Freundschaft“: Ausgezeichnet für Versöhnung und Gendergerechtigkeit

Ab dem 27. November 2023 widmen wir uns dem Thema Deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaftskonferenz 2023: Solidarität, Wiederaufbau, Zukunftsperspektiven.

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