Sie sind ständiges Jurymitglied, seit es den Wettbewerb das erste Mal gab. Wie hat er sich in dieser Zeit verändert?
Der Wettbewerb hat sich etabliert. Mit der Auszeichnung „Hauptstadt des Fairen Handels“ wurde innerhalb der Wettbewerbslandschaft ein Preis entwickelt, der angesehen ist und nicht dem Mainstream folgt. Mit jedem Jahr ist er bekannter geworden, die Zahl der Bewerbungen stetig angestiegen. Ein wichtiger Punkt in der Entwicklung war, dass Dr. Gerd Müller, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Preisgeld von den anfänglichen 5.000 Euro auf 105.000 Euro im Jahr 2013 und schließlich 2017 nochmals auf 250.000 Euro erhöht hat. Das hat die Bedeutung unterstrichen. Die Auszeichnung „Hauptstadt des Fairen Handels“ ist heute ein wichtiger Titel für Kommunen, der Anerkennung und Sichtbarkeit bringt.
Gibt es Wettbewerbsteilnehmende, die Sie besonders beeindruckt haben?
Saarbrücken, Dortmund, Rostock oder die aktuelle Preisträgerin Neumarkt in der Oberpfalz – diese Kommunen sind mir im Gedächtnis geblieben. Sie haben sich mehrfach beworben und alle mit viel Engagement. Schon bei den Bewerbungen gab es so viele gute Ideen und Initiativen – das hat auch die Bevölkerung mitgerissen. Bei vielen Städten ist allerdings noch Luft nach oben. In Millionenstädten wie Berlin, Hamburg, München oder Köln wissen sicherlich noch nicht viele Einwohnerinnen und Einwohner, dass ihre Kommune im Wettbewerb war.
Wie überzeugen Sie Kommunen, am Wettbewerb teilzunehmen?
Haben Sie weder Angst vor der Bewerbung noch vor Kritik! Die Teilnahme lohnt sich, selbst wenn Sie es nicht aufs Siegertreppchen schaffen. Das Auseinandersetzen mit der Frage: „Was machen wir eigentlich zum Thema?“, das Vernetzen der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure und die Stadtspitze mit ins Boot holen – schon allein dafür, dass diese Prozesse in Gang kommen, lohnt sich die Mühe. Das Tolle an diesem Wettbewerb ist, dass sich hier Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam einbringen. Alle bringen die Belange einer Kommune im Teamwork ein. Es steht jeder Kommune gut zu Gesicht, sich so zu verorten.
2021 dürfen sich erstmals Landkreise in den Wettbewerb einbringen. Was halten Sie davon?
Das freut mich sehr! Im Fairtrade-Bereich gibt es schon eine Reihe von aktiven Landkreisen. Aktuell sind es dreißig. Die Landkreise machen ein Engagieren über die Stadtgrenzen hinaus möglich. Dieses Gemeinschaftsgefühl, mit einer Initiative nicht alleine zu sein, ist extrem wichtig.
Auf welche Entwicklung im Bereich fairer Handel und faire Beschaffung sind Sie persönlich besonders stolz?
Unsere aktuellsten Zahlen sagen, dass Fairtrade Deutschland die 90 Prozent-Bekanntheitsmarke geknackt hat. Wir sind bekannter als das Bio-Siegel! Egal wo Sie einkaufen – ob beim Discounter, Supermarkt oder im Bioladen – Sie werden überall einen Fairtrade-Kaffee, eine Schokolade und viele weitere Produkte, die mit unserem Label ausgezeichnet sind, finden. Fairer Handel, die Präsenz in den Geschäften – das ist unser Hauptzweig. Denn um den Impact im Globalen Süden durch Fairtrade zu verwirklichen, muss sich der Konsum ändern. Der Kakaobauer wird nicht satt von einer Fairtrade Town oder School, sondern davon, dass er seine Ware nach Fairtrade-Bedingungen absetzen kann. Unsere Aufgabe ist es, diesen Kern zu bewahren. Genauso wichtig sind unsere Kampagnen: Hier sind viele Menschen aktiv, setzen sich mit ganzen Herzen für Fairtrade ein. Das macht mich stolz.
In diesem Jahr sind Sie das letzte Mal als Jury-Mitglied beim Wettbewerb mit dabei. Im Jahr 2022 hören Sie auch bei TransFair Deutschland auf und gehen in den Ruhestand. Mit welchen Gefühlen?
Mit Freude und Wehmut. Freude unter anderem darüber, dass sich dieser Wettbewerb so etabliert hat. Wehmut – weil mir auch dieser Wettbewerb und natürlich meine Arbeit für Fairtrade Deutschland fehlen werden. Ich habe die Organisation vor 30 Jahren von meinem Wohnzimmer aus als Gründungsgeschäftsführer aufgebaut. Am 30. Juni 2022 werde ich sie als Vorstandsvorsitzender verlassen und in Rente gehen. Meine Arbeit hat mir Spaß gemacht. Auch wenn ich und Fairtrade in die Jahre gekommen sind – die Bewegung ist immer noch aktuell und hat viele junge Unterstützerinnen und Unterstützer. Wir haben ein Thema geschaffen, für das sich Viele begeistern. Das erfüllt mich mit großen Stolz. Die Wehmut, dass ich hierbei nicht mehr an zentraler Stelle mithelfen kann, hält sich die Waage damit, dass ich denke, die Sache ist auf der Spur. Nach 30 Jahren kann ich es nun mit gutem Gefühl anderen Akteuren überlassen, diese tolle Initiative verantwortlich weiter voranzubringen.