Hauptstadt des Fairen Handels: „Kommunen tragen den fairen Handel in die Fläche“

Wir haben global derzeit viele große Herausforderungen zu bewältigen: Die Klimakrise, andauernde und neu aufflammende Kriege, sich verschärfende Ungleichheiten. Warum ist es gerade jetzt wichtig, auf fairen Handel zu setzen?

Die aktuellen Krisen betreffen auch die Produzentinnen und Produzenten im Globalen Süden. Der Klimawandel lässt die Ernten weniger produktiv ausfallen, es müssen Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden, also zum Beispiel neue Pflanzen gesucht, gekauft oder angebaut werden. Es sind wahnsinnig hohe Investitionen notwendig, damit auch in Zukunft Kaffee oder Kakao angebaut werden kann. Und das funktioniert nur, indem man die Herausforderungen gemeinsam angeht, also in dem man den Menschen und Kooperativen vermittelt, dass sie sich auf langfristige Partnerschaften verlassen können. In krisenbelasteten Zeiten ist solidarisches Handeln wichtiger denn je.

Ihre Initiative Fairtrade Deutschland zeichnet seit vielen Jahren die Fair Trade Towns aus. Warum ist gerade das kommunale Engagement für den fairen Handel so bedeutend?

Das Engagement der Kommunen für den fairen Handel ist so wichtig, weil es das Thema in die Fläche bringt. Also die Idee, dass faires Handeln etwas mit mir selbst zu tun hat, mit dem Ort, an dem ich lebe und an dem ich wirke. Und da haben Kommunen einfach eine sehr große Hebelwirkung. Wenn auf dieser Ebene über fairen Handel gesprochen wird, dann kommt das Thema auch wirklich bei den Menschen an.

Mit welchen anderen Akteurinnen und Akteuren sollten sich die Kommunen zusammentun, um sich noch breiter und effektiver für den fairen Handel einzusetzen?

Wir bei Fairtrade Deutschland empfehlen den Kommunen, zu schauen, wer bereits vor Ort zu dem Thema aktiv ist, zum Beispiel zivilgesellschaftliche Initiativen und lokale Unternehmen. Gerade in der Privatwirtschaft gibt es noch ein großes Potential für nachhaltige Beschaffung – fairer Kaffee in der Kantine, Arbeitskleidung aus fair produzierter Baumwolle. Ein guter Ansatzpunkt sind auch kommunale Partnerschaften. Es lohnt sich, mal genauer hinzuschauen, ob es in den bestehenden Städtepartnerschaften nicht auch einen Platz für den fairen Handel als Thema der Zusammenarbeit gibt.

Sie sind in diesem Jahr Mitglied der Jury im Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels“. Was kann der Wettbewerb aus Ihrer Sicht bewirken? Und warum lohnt es sich für Kommunen, am Wettbewerb teilzunehmen?

Ein Wettbewerb eröffnet immer die Möglichkeit, vorbildhaftes Handeln exemplarisch auszuzeichnen und Ideen auszutauschen. Es motiviert Kommunen, in den Wettbewerb mit anderen zu treten, die auch gute Ideen haben. Auf der anderen Seite bekommen Kommunen, die noch nicht so weit sind, Inspiration und Motivation, besonders praktikable Ansätze auch bei sich auszuprobieren. Außerdem gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Bei der Preisverleihung sind oft die Spitzen der Verwaltung anwesend. Wenn politische Entscheiderinnen und Entscheider selbst für den fairen Handel einstehen, werden oft auch die nötigen Räume geschaffen und Ressourcen freigestellt für Projekte und Strukturmaßnahmen.

Sehen Sie Potenzial in Deutschland, noch weitere Kommunen für ein Engagement im fairen Handel zu gewinnen?

Also wir sehen, dass das Thema fairer Handel nach der Pandemie wieder Fahrt aufgenommen hat. Wir bekommen wieder mehr neue Bewerbungen für die Zertifizierung als Fairtrade Towns. Auf der anderen Seite darf man nicht vernachlässigen, dass die Kommunen durch die aktuellen Krisen vor großen Herausforderungen stehen. Da ist der faire Handel kein Selbstläufer. Wir brauchen viel Energie und viele gute regionale Unterstützerinnen und Unterstützer, damit das auch so weiterläuft.