Herr Omar, Sie haben als einer von acht Syrerinnen und Syrern ein Praktikum in der Krefelder Kommunalverwaltung absolviert. Das Praktikum hat für Sie sicherlich Türen geöffnet. Was waren in dieser Zeit Ihre wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse?
Zu Beginn meines Praktikums hat mich die Verwaltung überfordert - es gab so viele neue Aufgaben, so viele festgelegte Abläufe. In Syrien hatte ich so gut wie keine Berührungspunkte mit Verwaltung oder Behörden. Hinzu kam am Anfang die Sprachbarriere. Doch alle Kolleginnen und Kollegen haben sich vom ersten Tag an um mich gekümmert und meine Fragen beantwortet. Sie gaben mir den Rat, die vorgegebenen Arbeitsabläufe immer nur Schritt für Schritt und Aufgabe für Aufgabe abzuarbeiten. Dieser Tipp hat mir danach immer wieder geholfen und ich konnte mich gut einarbeiten. Irgendwann habe ich gemerkt, dass meine Meinung als Mitarbeiter gefragt ist. Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben!
Gemeinsam mit den Praktikantinnen und Praktikanten aus den anderen Modellkommunen haben Sie Ihre Lernerfahrungen in der Kommunalverwaltung reflektiert. Welche kommunalen Praktiken haben Ihnen besonders gut gefallen? Würden Sie diese, wenn das möglich wäre, gerne auch in Syrien umgesetzt sehen?
Wir haben uns insgesamt drei Mal mit allen 25 Praktikantinnen und Praktikanten zu Erfahrungsaustauschen getroffen. Das war wirklich wichtig. Diese fanden auf deutsch und arabisch statt und wir konnten uns gegenseitig von unserer Arbeit und unseren Erfahrungen berichten. Ein Kollege hier aus Krefeld hat sein Praktikum im Bereich Stadtmarketing gemacht. Gemeinsam mit dem Fachbereich Migration und Integration haben sie das Kochbuch „Geschmacksache Krefeld" zusammengestellt mit Rezepten und Geschichten von Menschen aus 65 Ländern. Außerdem gefiel mir ein Projekt, in dem es um die Begrünung des öffentlichen Raums ging. Mehr Bäume in der Stadt würde ich auch gerne in Syrien sehen.
Haben Sie sich durch das Praktikum beruflich neu orientiert? Was hat Sie nach dem Praktikum bewogen, sich für eine Ausbildung bei der Stadt Krefeld zu bewerben?
Vor meiner Flucht hatte ich in Syrien ein IT-Studium begonnen. Das Vermessungswesen habe ich erst durch mein Praktikum kennengelernt. Mir gefällt der Beruf des Vermessungstechnikers, weil er trotz mancher bürokratischer Abläufe sehr abwechslungsreich ist. Wir arbeiten immer in einem Team und mal im Innen-, mal im Außendienst, das heißt, ich bin auch für die Arbeit oft unterwegs und lerne meine Kollegen und meine Umgebung noch besser kennen.
Glauben Sie, dass Sie Ihr in Krefeld erworbenes Know-how irgendwann in Ihrem Heimatland einsetzen können?
Wenn ich meine Ausbildung bei der Stadt Krefeld beendet habe, möchte ich in meinem Beruf als Vermessungstechniker arbeiten und noch mehr Erfahrungen sammeln. Da sehe ich mich erst mal in Deutschland. Doch natürlich hoffe ich, dass sich die politische Situation in Syrien irgendwann ändert. Es wäre toll, wenn sich das hier Gelernte dann in irgendeiner Form auch auf den syrischen Kontext übertragen ließe und mein Know-how dort geschätzt werden würde.
Autorin und Interview: Julia Krakau