Frau Elsaeßer, Sie sind Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik beim Deutschen Landkreistag. Was bedeutet das?
Zunächst mal ist die Koordinatorinnen-Stelle durch eine Förderung der SKEW möglich. Deshalb können wir uns auch so intensiv mit dem Thema „Kommunale Entwicklungspolitik“ auseinandersetzen. Normalerweise sind diese Stellen bei den Kommunen angesiedelt. Bei uns als Verband ist das eher ungewöhnlich, hat aber die Vorteile, dass wir als Multiplikatoren fungieren können und durch meine Stelle potentiell alle Landkreise in Deutschland mit dem Thema kommunale Entwicklungspolitik erreicht werden.
Es ist auch meine Rolle, die Schnittstelle zwischen der SKEW oder dem BMZ auf Bundesebene und den Landkreisen vor Ort zu bilden und Informationen weiterzugeben. Dazu gehört auch, Veranstaltungen zu organisieren, auf denen sich Landkreise untereinander austauschen können, die schon engagiert sind – oder auch mit den Landkreisen, die noch nicht so engagiert sind, damit diese sehen können, was man in dem Bereich alles machen kann.
Welche Stärken sehen Sie bei den Landkreisen, wenn es um das Thema fairer Handel und faire Beschaffung geht?
Grundsätzlich ist es so, dass Landkreise selbst viel beschaffen. Sie sind meistens relativ groß, was die Einwohnerzahl und die Fläche angeht und haben deswegen eine gewisse Stärke bei der Beschaffung. Das heißt, wenn sie selbst fair und nachhaltig beschaffen, hat das eine große Auswirkung. Teilweise ist es auch der Fall, dass sie als zentrale Beschaffungsstellen für die kreisangehörigen Gemeinden mitbeschaffen – gerade wenn diese sehr klein sind. Denkbar sind auch sogenannte Einkaufsgemeinschaften. In beiden Fällen haben die Landkreise die Möglichkeit, das Thema faire und nachhaltige Beschaffung anzusprechen und eine Art Multiplikatoren-Funktion im eigenen Landkreis einzunehmen.
Darüber hinaus ist auch das Thema Bewusstseinsförderung für nachhaltige Beschaffung in der Bevölkerung ganz wichtig. Ich denke, wenn ein Landkreis selbst sagt „Wir beschaffen nachhaltig und fair!“ und damit ein Vorbild ist, und das dann auch in der Kommunikation hervorhebt, dann kann man das Thema vielleicht auch bei den Bürgerinnen und Bürgern mehr in den Mittelpunkt rücken, so dass diese sich mit ihrem eigenen Einkaufsverhalten beschäftigen. Das sind wichtige Punkte, die Landkreise leisten.
Welche Beschaffungsthemen oder Produktgruppen, sind für Landkreise besonders spannend?
Landkreise beschaffen alles, was in ihrer eigenen Verwaltung wichtig ist. Es gibt ja auch andere Wettbewerbe, wo es zum Beispiel um den Anteil von Recyclingpapier im Büroalltag geht. Damit beschäftigen sich viele Landkreise, auch weil es relativ einfach umzustellen ist. Andererseits gibt es auch Klassiker, wie nur noch Kaffee aus fairem Handel auszuschenken. Aber Landkreise beschaffen darüber hinaus viel. Man muss immer überprüfen, was man im Bereich faire und nachhaltige Beschaffung überhaupt leisten kann. Ein Beispiel wäre die Beschaffung von Arbeitskleidung – das ist ein Thema, das immer größer wird.
Gerade im letzten Jahr stand bei der Beschaffung für die Landkreise häufig die Pandemie im Mittelpunkt. Auch im Gesundheitsbereich spielen die Landkreise eine wichtige Rolle und es ging anfangs viel darum, wo man Schutzkleidung oder Masken herbekommt. Das ist grundsätzlich kein ganz so großes Beschaffungsthema für Landkreise, hat aber vielen deutlich gemacht, dass die globalen Lieferketten auch für sie entscheidend sind. Wenn es keine Masken gibt, weil diese in China nicht ausgeliefert werden können, wird deutlich: „Unsere Produkte legen große Wege zurück“.
Sie sind dieses Jahr das erste Mal Teil der Jury des Wettbewerbs Hauptstadt des Fairen Handels. Welche Erwartungen haben Sie?
Ich bin neu in der Jury, weil auch die Landkreise neu im Wettbewerb sind. Es ist schön, dass jetzt auch Landkreise zeigen können, was sie alles leisten. Einerseits erwarte ich, dass sich die Vielfalt der Kommunen in Deutschland im Wettbewerb widerspiegelt. Ich denke, wir werden ganz unterschiedliche Städte, Landkreise und Gemeinden dabeihaben, von der Größe her aber auch städtisch oder ländlich, und hoffentlich aus allen Bundesländern. Genauso vielseitig wird es wahrscheinlich auch bei den Projekten sein. Ich denke, das Thema fairer Handel und faire Beschaffung kann auf unterschiedliche Art und Weise angegangen werden, zum einen, was die Produktgruppen angeht oder wie ich selbst in der Kommune meine Beschaffung angehe, zum anderen geht es in die Richtung Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ich freue mich, mir alle Bewerbungen anzusehen und mit den anderen Jurymitgliedern zu diskutieren. Das gibt sicher interessante Einblicke.
Aus welchen Gründen sollten Landkreise beim Wettbewerb mitmachen?
Ich merke, dass Landkreise sehr interessiert daran sind, was andere Kommunen machen und wie sie sich Inspiration holen können. Die Beteiligung an so einem Wettbewerb bietet Sichtbarkeit für das, was man tut. Landkreise sind in der Öffentlichkeitsarbeit zu kommunaler Entwicklungspolitik leider häufig ein bisschen unterrepräsentiert. Es werden eher immer wieder die größeren Städte auf den Plan gerufen. Deshalb hoffe ich, dass es auch viele Landkreise wahrnehmen, sich hier zu zeigen. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir einen Landkreis als „Hauptstadt des Fairen Handels“ – das wäre schön!