Als Ende November 2013 der ukrainische Präsident Janukowytsch sich weigerte, das bereits ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU) zu unterzeichnen, kam es zu wachsenden Protesten auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz im Herzen Kyjiws, die bis Februar 2014 andauerten und von den Sicherheitskräften immer gewaltsamer beantwortet wurden. Am 18. und 20. Februar 2014 eskalierte die Situation: Über 100 Menschen starben durch Schüsse der Sicherheitskräfte und mehrere hundert wurden verletzt. Daraufhin schlugen sich jedoch weite Teile der Armee und Sicherheitskräfte auf Seiten der Opposition und zwangen den Präsidenten zur Flucht nach Russland. Unmittelbar nach Ende der Kampfhandlungen flog eine Delegation bestehend aus Politik, Verwaltung, Bürgerrechtler*innen und Medien aus Leipzig – selbst Ort der Friedlichen Revolution – mit Oberbürgermeister Jung an der Spitze nach Kyjiw, um ihre Solidarität auszudrücken. „Es rauchte noch alles. Wir haben die Trauer über die Toten unmittelbar geteilt. Wir haben aber auch die Hoffnungen direkt spüren können. Wir haben den Wind der Veränderung an dieser besonderen Stelle gespürt, dass die Menschen wirklich eine neue Gesellschaft wollten und bereit waren, dafür auch ihr Leben einzusetzen.“ erinnert sich Dr. Gabriele Goldfuß, Referatsleiterin für Internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig. In Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche und mit Spenden aus der Leipziger Bürgerschaft wurden Gewaltopfer mit traumatherapeutischen Behandlungen im Rahmen eines Hilfsprojekts unterstützt.
Aus dieser Initiative heraus gründete sich der Verein EuropaMaidan Leipzig e.V. Neben der Traumabetreuung – damals wie heute – setzt sich der Verein politische Bildung zum Ziel, um die Leipziger Bevölkerung für die Entwicklungen in Kyjiw zu sensibilisieren und die Ukraine bei ihrem Transformationsprozess hin zu Demokratie und Dezentralisierung zu unterstützen.
Als Russland die demokratischen Entwicklungen in der Ukraine 2014 mit der Besetzung der Krim und der Initiierung eines Stellvertreterkrieges in der Ostukraine beantworte, spendete Leipzig Krankenhausbetten und medizinische Ausrüstung nach Kyjiw, um die Kriegsverletzten besser versorgen zu können.
Im Juni 2019 wurde eine Gedenkplatte zu Ehren des ukrainischen Nationalkomponisten Mykola Lysenko an seinem früheren Wohnhaus in der Nürnberger Straße in Leipzig enthüllt. „Viele Leipziger können diese Tafel jetzt jeden Tag sehen, wenn sie an diesem Haus vorbeigehen”, hebt Vlad Nikolaev, Vertreter der Abteilung für internationale Zusammenarbeit der Stadt Kiew, die Symbolwirkung hervor. „Dies verdeutlicht die langfristigen Ergebnisse unserer Arbeit“. Neben der Musik sind zahlreiche Projekte im Bereich Literatur, Buchmesse, bildende Künste und der freien Szene sowie Erinnerungskultur, Start-ups, jüdisches Leben, Bibliothekswesen, soziale Fragen, neue Mobilität und Stadtentwicklung charakteristisch für die Zusammenarbeit neuer Generationen und Gruppen in beiden Städten in den Jahren des Wandels seit 2014.
In 2021/ 2022 feierten Leipzig und Kyjiw ihre 60-jährige Städtepartnerschaft – auch diese unter erschwerten Umständen. Die Corona-Pandemie stellte die Partnerkommunen vor einige Herausforderungen. Dennoch gab es auch in dieser Zeit einen regen Austausch, unter anderem zur Bewältigung der Pandemie und die Lieferung von Teststationen und weiteren Hilfsgütern. Glücklich waren die Partnerkommunen, dass zu den „Kiewer Tagen“, die vom 8. bis 12. Oktober 2021 in Leipzig stattfanden, trotz Reisebeschränkungen eine große Delegation unter Leitung von Bürgermeister Klitschko anreisen konnte.
Aufgrund des Angriffskrieges Russlands konnte jedoch keine deutsche Delegation zu der im Rahmen des Jubiläums geplanten „Leipziger Projektwoche“ vom 20. bis 23. Mai 2022 nach Kyjiw reisen. Zahlreiche Projekte und Veranstaltungen mussten dort abgesagt werden.