Warum ist es wichtig, dass die Bundesländer kommunales Engagement fördern?
Damit es gut wird! Allein aus meinem persönlichen Hintergrund sehe ich das so: Ich habe eine Ausbildung in einer Kommune gemacht, anschließend Jura studiert und nun bin ich Referatsleiterin in der Staatskanzlei. Auf meinem Weg habe ich gelernt, dass man die Kommunen mitdenken muss. Sie sind nah an den Menschen und wissen, was sie bewegt. Viele Themen wie Klimaschutz oder Nachhaltigkeit können jedoch auf breiter Ebene besser von den Ländern umgesetzt werden. Und die Fördermittel und die Infrastruktur für kommunales Engagement bietet die Bundesebene. Die Handlungsebenen zwischen Kommunen, Ländern und Bund müssen gut vernetzt sein, damit Projekte gelingen und alle voneinander profitieren.
Was tun Sie als Vertreterin des Landes Niedersachsen, um kommunale Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen?
Wenn Kommunen Interesse haben, ein Projekt anzustoßen, stelle ich ihnen mein Wissen zur Verfügung. Zum Beispiel weiß ich gut Bescheid über die Förderprogramme der SKEW. Der Kleinprojektefonds, die Solidaritätspartnerschaften mit der Ukraine – das sind alles niederschwellige Angebote, die für Kommunen schnell und einfach umsetzbar sind. Oder wenn es um das Eastern Cape geht, stelle ich den Dialog her zwischen Kommunen in Südafrika und hier. Angenommen, eine Kommune im Eastern Cape ist auf der Suche nach einer Partnerkommune in Niedersachsen – es kann sein, dass dieser Ruf nach Zusammenarbeit im Nichts verhallt. Über das Innenministerium und meine Mitarbeit im Projekt „Global Nachhaltige Kommune in Niedersachsen“ habe ich Kontakt zu verschiedenen niedersächsischen Kommunen und weiß, welche für eine Partnerschaft mit einer südafrikanischen Kommune geeignet wäre. Da vermittle ich den Kontakt. Im Übrigen verfügt die Niedersächsische Staatskanzlei über finanzielle Mittel zur Projektförderung in der Entwicklungszusammenarbeit, die auch Kommunen beantragen können.
Auch über das Projekt „Global Nachhaltige Kommune Niedersachsen“ arbeiten das Bundesland und seine Kommunen eng zusammen...
Niedersachsen befindet sich in der dritten Runde des von der SKEW geförderten Projektes, in dem kommunale Handlungsprogramme zur Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) entwickelt und ausgewertet werden. Bei Stakeholdertreffen, die von der SKEW moderiert werden, kommen Vertretende des Innenministeriums, der Staatskanzlei, vom Landwirtschaftsministerium und aus den Kommunen zusammen. Aus dem Landwirtschaftsministerium gibt es dann zum Beispiel einen Input zu Ernährungssicherheit und nachhaltiger Ernährung – Niedersachsen als Agrarland hat da einiges zu bieten. Solche Inputs bei denen auch nachhaltige Beschaffung oder faire Lieferketten thematisiert werden, sind interessant für die Kommunen und ihre Projekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit. Anwesende Bürgermeisterinnen und Bürgermeister oder auch der niedersächsische Ministerpräsident bekommen die Themen wie SDGs oder Nachhaltigkeit gut aufbereitet vermittelt und können dieses Wissen – quasi als Baukasten – mit in ihre Arbeitsbereiche nehmen.
Das Land Niedersachsen hat sogar einen eigenen Repräsentanten am Eastern Cape.
Ja, dort sitzt eine ehemalige Kollegin aus meinem Referat. Die Repräsentanz des Landes Niedersachsen in Südafrika ist sehr wertvoll für die partnerschaftliche Arbeit mit der Provinz Eastern Cape. Wir bekommen so direkt Rückmeldung, wie der Stand der gemeinsamen Projekte ist, erhalten Anregungen für neue Projekte und wir erfahren, was in den Kommunen läuft. Für Delegationen ist das hilfreich – jede Reise wird auch von Eastern Cape aus hervorragend vorbereitet. Unsere Person vor Ort ist mit allen Ministerien im Austausch und auch mit niedersächsischen Kommunen, die die Projekte der kommunalen Entwicklungspolitik mit dem Eastern Cape umsetzen. Das Land Niedersachsen leistet mit den Aktivitäten im Rahmen dieser Partnerschaft einen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer Sustainable Development Goals (SDGs).
Wie bringt sich Niedersachsen bei der Umsetzung der SDGs noch ein?
Die Landesregierung Niedersachsen hat bereits 2015 entwicklungspolitische Leitlinien aufgestellt und 2018 eine Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Das sind beides Instrumente, die sich systematisch an der Agenda 2030 orientieren und diese konkret umsetzen. Koordiniert und unterstützt wird die Umsetzung der entwicklungspolitischen Leitlinien von der Niedersächsischen Staatskanzlei. Ein Schwerpunkt der Projekte liegt auf Bildung, das entspricht dem SDG4. Über das Kultusministerium können wir Schulprojekte umsetzen: Zum Beispiel das Anlegen von Gemüsegärten zur Selbstversorgung in der Schule oder den Bau eines Schlafhauses, damit Schülerinnen und Schüler abends nach Schulschluss nicht weite und gefährliche Strecken zurücklegen müssen. Über das Gesundheitsministerium – und damit die Umsetzung von Ziel 3 – fördern wir Projekte zur die Früherkennung von Hörschäden bei Kindern in Tansania. Im Eastern Cape haben wir im Rahmen des Bund-Länder-Pilotprogramms in der Gemeinde Upper Blinkwater ein hybrides Elektronetzwerk (Mini-Grid) errichtet, damit sind wir bei SDG7.
Welchen Mehrwert haben die Projekte am Eastern Cape für Niedersachsen?
Ich höre manchmal Fragen wie: Was interessieren mich die Probleme in Afrika? Warum leistet sich der Ministerpräsident eine Reise dorthin? Nur wer mit der Welt in Kontakt bleibt, erfährt, dass die „Lösungen“ die wir hier entwickeln, nicht immer tragfähig sind – etwa weil die Menschen etwas nicht wollen oder schlicht und einfach das Werkzeug zum Bau einer Bewässerungsanlage fehlt. Wer hingegen in Kontakt bleibt mit der Welt und sich austauscht, der entwickelt eine Resilienz gegen die Herausforderungen des Lebens. Durch die Zusammenarbeit mit Südafrika und Tansania etwa haben wir gelernt: Es gibt andere Blickwinkel auf die Dinge und oft einfachere und zugleich nachhaltigere Lösungen als die, die wir erdacht haben. Corona und sämtliche anderen globalen Krisen zeigen uns gerade brachial auf: Alle Probleme auf der Welt haben etwas miteinander zu tun. Wir können sie deshalb auch nur gemeinsam bewältigen.
Wie hat sich Niedersachsen historisch in die Entwicklungspolitik eingebracht?
Entwicklungszusammenarbeit hat hier eine gute und lange Tradition. Allerdings ist sie weniger in einer Strategie, sondern eher aus sozialer und humanitärer Motivation begründet. So war Niedersachsen 1978 das erste westliche Land, das Boatpeople aus Vietnam aufgenommen hat. 1984 wurde die Partnerschaft zwischen Niedersachsen und der Provinz Anhui in China gegründet – die älteste Partnerschaft eines deutschen Bundeslandes mit einer Provinz der Volksrepublik China. Seit 1995 gibt es eine ständige Zusammenarbeit zwischen Niedersachsen und der Provinz Eastern Cape in Südafrika. Viele dieser Projekte sind nicht unter dem offiziellen Label „Entwicklungszusammenarbeit“ entstanden, sondern aus dem Wunsch heraus zu helfen. Entwicklungszusammenarbeit bedeutet für Niedersachsen seit je her partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe. In armen Ländern und Krisengebieten im Ausland geht es vor allem darum, Armut zu bekämpfen, Selbsthilfefähigkeit zu fördern, die Durchsetzung von Menschenrechten zu unterstützen und dazu beizutragen, dass in den Ländern tragfähige Demokratien entstehen können.