Agenda 2030: Chancen für deutsch-afrikanische Kommunalpartnerschaften

Die Konferenz setzte einen besonderen inhaltlichen Fokus auf Themen, die mit ausgewählten nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) der Agenda 2030 verknüpft sind: Gesundheit (SDG 3), berufliche Bildung, Jugendarbeit, Perspektiven für junge Menschen (SDGs 4 und 8) sowie Fairer Handel und Faire Beschaffung (SDG 12). Hierzu stellten Vertreterinnen und Vertreter aus Deutschland und verschiedenen afrikanischen Ländern konkrete Projekte und Aktivitäten vor.

In der kommunalen Partnerschaft zwischen den Städten Nürnberg und Aného (Togo) fanden beispielsweise Austausche von Ärztinnen und Ärzten statt. Zum Thema Bildung und Jugendarbeit starteten die Stadt Stuttgart und ihre Partnerkommune Menzel Bourguiba (Tunesien) dieses Jahr eine gemeinsame Social Media Challenge, bei der praxisnahe Tipps zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag über Soziale Netzwerke verbreitet werden.

Zum Thema Fairer Handel und nachhaltiger Konsum teilten die Stadt Drakenstein (Südafrika) und der Regionaldirektor der World Fair Trade Organisation (WFTO) Africa & Middle East ihre Erfahrungen und Expertise mit den Teilnehmenden. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur lokal produziert, sondern auch lokal konsumiert werden sollte.

Professor Edgar Pieterse vom African Center for Cities, University of Capetown, gelang es in seinem Impulsvortrag, die besondere Rolle und die Herausforderungen für Kommunen bei der Umsetzung der Agenda 2030 in eine größere Perspektive einzuordnen. Dabei nahm er vor allem die Zukunft Afrikas und die Auswirkungen der Pandemie in den Blick. Viele afrikanische Staaten haben zwar schnell und konsequent gehandelt, dabei sei allerdings die Wirtschaftsleistung – bedingt auch durch den hohen Anteil des informellen Sektors – abrupt zum Stillstand gekommen und habe viele Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt. In Kombination mit Afrikas dynamischer Urbanisierungsrate und der jungen Bevölkerungsstruktur hat dies zu einer Kaskade urbaner Herausforderungen auf dem Kontinent geführt, unter anderem zu einer „Normalisierung“ von Ungleichheiten, was den Zugang zu Bildung, Gesundheit und Erwerbsmöglichkeiten angeht.

Nur wenn sie von den Kommunen selbst vorangetrieben wird, kann eine nachhaltige Transformation auf der lokalen Ebene ankommen, betonte Professor Pieterse zum Abschluss seines Vortrags. Dazu braucht es nicht nur eine neue Transformationsagenda, sondern vor allem eine Bewegung, die sich auf Solidarität und partnerschaftliches Denken in Netzwerken stützt und positive Beispiele kommuniziert. Die deutsch-afrikanischen kommunalen Partnerschaften gehen hier vorbildhaft voran.

Die Pandemie hat die Schwächen des bisherigen globalen Systems aufgezeigt. Die stellvertretende Generalsekretärin und Regionaldirektorin für Afrika von ICLEI - Local Governments for Sustainability, Kobie Brand stellte in ihrem Impulsvortrag die Chancen für den Globalen Süden bei der Neuausrichtung der Agenda 2030 nach der Pandemie heraus. Dabei sieht sie die Krise auch als Chance, alte Muster aufzubrechen und die Implementierung der SDGs neu zu justieren, um dabei mehr Akteurinnen und Akteure einzubinden, ganz besonders in afrikanischen Kommunen.

Der Wiederaufbau müsse genutzt werden, um nachhaltige Entwicklungspfade zu erschließen. Ein starkes multilaterales Governance-System biete Kommunen neue Handlungsoptionen, besonders, wenn sie sich in lokalen Netzwerken für nachhaltige Entwicklung zusammenschließen und sich damit für eine gerechtere und inklusive Welt nach Corona einsetzen.

Dass die Pandemie nicht nur zahlreiche negative Auswirkungen hat, sondern auch Chancen für die Vernetzung der Kommunen und die partnerschaftliche Zusammenarbeit bietet, zeigte sich auch in den Diskussionsrunden: Obwohl die Reisebeschränkungen alle Partnerschaften – insbesondere die neueren – vor große Herausforderungen stellen, nutzt die Mehrheit der Partnerschaften Videokonferenzen oder andere virtuelle Formate zur Kommunikation. Inzwischen ist aus der Notlösung für viele eine neue Kulturtechnik geworden, die auch nach der Krise den Austausch in den Partnerschaften befruchten wird. Manche bürokratische Hürde konnten sogar dank der Ausnahmesituation leichter überwunden werden.

Eine kreative Lösung für die Fortsetzung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit fanden beispielsweise die Städte Leipzig und Addis Abeba (Äthiopien): Als die geplanten Fortbildungsmaßnahmen zum Rettungswesen nicht vor Ort durchgeführt werden konnten, produzierten die Leipziger Feuerwehrleute Lehrvideos, die nun dauerhaft zur Verfügung stehen. Leipzig bot das Filmmaterial, das dann nur noch in andere Sprachen übersetzt werden muss, auch anderen Kommunen und Partnerschaften zur Nutzung an.

Die Teilnehmenden des SDG-Dialogs stimmten darin überein, dass die Agenda 2030 Kommunen weltweit einen hervorragenden Referenzrahmen für die Ausgestaltung ihrer Partnerschaften, aber auch für ihre eigene Kommunalentwicklung bietet.

• In Stuttgart konnten die Nachhaltigkeitsbestrebungen zum Beispiel durch die Ausrichtung an der Agenda 2030 strukturierter und konsequenter über alle Ämter hinweg umgesetzt werden.
• Auch lassen sich durch die SDGs verschiedene partnerschaftliche Projektvorhaben gut miteinander verknüpfen, um Mehrwerte zu erzielen. So wurden in den Partnerschaften Enzkreis und Masasi (Tansania) und Nürnberg und Aného (Togo) Gesundheitseinrichtungen durch den Einsatz von Solarpanels nicht nur CO₂-arm, sondern zum Teil auch erstmals zuverlässig mit Elektrizität versorgt. Dadurch hat die Umsetzung der SDGs in der Partnerschaft die Zusammenarbeit in verschiedenen Themenfeldern vorangebracht, wie vom Enzkreis berichtetet wurde.
• Dass sich eine Kommunale Klimapartnerschaft sehr gut als Ausgangspunkt für eine Zusammenarbeit zur Agenda 2030 eignet, zeigt die Partnerschaft zwischen Drakenstein (Südafrika) und Neumarkt in der Oberpfalz. Hier reichen die Wirkungen oft sogar weit über die Kommune hinaus: Drakenstein wurde die erste Fair Trade-Stadt Südafrikas und trug so dazu bei, das Prinzip des Fairen Handels auf dem afrikanischen Kontinent zu verankern.

Globale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, wachsende Urbanisierungsraten und Ungleichheiten sowie die Folgen des Klimawandels erfordern ein integriertes, inklusives und innovatives Handeln auf lokaler Ebene. Wie dies auf ganz unterschiedliche Weise erfolgreich gelingen kann, zeigten die im Rahmen des SDG-Dialogs geteilten Erfahrungen und vorgestellten Beispiele aus den kommunalen Partnerschaften zwischen deutschen und afrikanischen Kommunen eindrucksvoll.