Internationaler fachlicher Austausch zum Vorteil aller

Seit 2019 fördert das BMZ die „Betreiberplattform zur Stärkung von Partnerschaften kommunaler Unternehmen weltweit“ und damit die kommunale partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Betrieben aus Deutschland und seinen Partnerländern. Sie startete mit vier Partnerschaften kommunaler Wasserbetreiber. Heute sind es 28, darunter 16 Betreiberpartnerschaften mit ukrainischen Unternehmen. Auch drei Partnerschaften zwischen Abfallwirtschaftsbetrieben sind entstanden. Ein Erfolg, der auch dank der Lobbyarbeit der beiden Verbände, der German Water Partnership (GWP) und dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) erreicht werden konnte.

Alle beteiligten Unternehmen berichten von sichtbaren Wirkungen der Zusammenarbeit in den Südkommunen: Verbesserte Managementprozesse und Betriebsabläufe, effizienterer Mitteleinsatz, Verringerung von Wasserverlusten, Kosteneinsparungen sowie Verbesserungen der Trinkwasserqualität und der Abwasserreinigungsprozesse – und natürlich ein gewachsenes Vertrauen als Basis für die weitere Zusammenarbeit.

Der Nutzen der Partnerschaften für die Betreiber aus dem Globalen Süden liegt auf der Hand. Aber warum engagieren sich deutsche Unternehmen im Rahmen der Betreiberplattform? Für Torsten Dörnbach von der Stadtentwässerung Dresden zählen hier vor allem drei Argumente: die Verantwortung des Unternehmens für mehr Nachhaltigkeit auch über den eigenen Tellerrand hinaus wahrzunehmen, sich mit internationalen Projekten gegenüber jungen Menschen als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und der fachliche Reiz für die Mitarbeitenden, an Lösungen für den Partnerbetrieb mitzuarbeiten, die wenig mit den in Deutschland gängigen Verfahren zu tun haben.

Neumarkt in der Oberpfalz mit seinen 40.000 Einwohnern ist seit vielen Jahren entwicklungspolitisch aktiv. Eine dieser Initiativen ist die Klimapartnerschaft mit dem südafrikanischen Drakenstein. Alle durchgeführten Projekte eint, dass sie soziale Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung einbeziehen sowie zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Basis für diese Projekte sind Förderinstrumente der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global.

Beim Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung sind die Partner aus Drakenstein und Neumarkt bereits erfahren: Über den Kleinprojektefonds (KPF) der Servicestelle verwirklichten sie einen mobilen Lernpfad für Jugendliche im Alter von 13 bis 16 Jahren. Verschiedene Themen rund um Klimawandel und Klimaschutz werden über den Parcours mit den Jugendlichen erarbeitet. Dazu stehen Puzzles, Spielzeug-Windräder, Wortkarten, solarbetriebene Modellautos und viele weitere Materialien bereit. An einer der insgesamt 30 Lernstationen lässt sich auch die Klimapartnerschaft zwischen Neumarkt und Drakenstein entdecken. Dieser Klimaparcours wurde dreimal erstellt: Für den Einsatz in Drakenstein, der Eine Welt-Station in Neumarkt sowie für den Verleih in der Metropolregion Nürnberg beispielsweise an Schulen oder Nichtregierungsorganisationen.

Aber auch das Thema Abfallmanagement spielt eine Rolle in der auf Verwaltungsebene engen Partnerschaft zwischen Drakenstein und Neumarkt. Und auch hier ist das Thema aus deutscher Perspektive keine einseitige Unterstützung, so die Sicht aus Neumarkt. Zwar stehe Deutschland mit technischen Lösungen zum Abfallrecycling sehr gut da. Gleichzeitig gehören wir aber zu den Ländern, die pro Kopf am meisten Abfall produzieren. Durch die Partnerschaft werden jetzt die Themen Klimawandel oder Abfallproduktion stärker reflektiert, welche Folgen unsere konsumorientierte Lebensweise für andere bedeutet. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist dabei der Schlüssel!

Auch die Aktivitäten der FairTrade-Stadt Neumarkt, Gewinnerin des Hauptstadtwettbewerbs des Fairen Handels, reichen bis nach Drakenstein und zurück. Im Eine Welt Laden in Neumarkt wird inzwischen der faire Partnerschaftswein, der von einem Weingut in Drakenstein stammt, verkauft. Weitere Produkte sollen folgen.

Dass ein Großteil der Fördermittel nach Drakenstein fließt, sei dabei nicht gleichzusetzen damit, dass nur die Partner „etwas davon haben“. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, die Einbeziehung der Bevölkerung und Bewusstseinswandel spiele auf beiden Seiten eine große Rolle.

Hagen liegt am Rande des Mittelgebirges Sauerland und verfügt über eine hügelige Topografie. Mit Ruhr, Volme, Lenne und Ennepe durchziehen gleich vier Flüsse das Stadtgebiet. Dadurch sind weite Teile der Stadt besonders bei Starkregenereignissen durch Überflutung gefährdet. Im Rahmen eines Pilotprojektes werden nun speziell entwickelte innovative Baumrigolen – spezielle Pflanzgruben – eingeführt. Sie sollen die Stadt klimaresilienter gestalten.

Ergänzend zu den klassischen Regenrückhaltebecken soll das gesamte im Bereich der Baumrigolen anfallende Regenwasser von den Straßen und Bürgersteigen in die Baumrigolen fließen. Ziel ist es, Überflutungen bei stärkerem Regen zu reduzieren, den Grundwassereintrag zu erhöhen, das Wachstum der Bäume zu stärken, das Stadtklima im Sommer durch Schatten und Verdunstungskühlung zu verbessern und somit lebenswerte Wohn- und Gewerbegebiete zu schaffen.

Angelehnt an Erfahrungen und Modellen aus Stockholm und Bochum, Know-How aus Forschungsprojekten sowie dem Fachaustausch im internationalen Städtenetzwerk „Connective Cities“ entwickelte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Stadt ihr eigenes, der Topografie Hagens angepasstes Modell.

Das Hagener Modell verfügt über eine bis zu 20 Zentimeter tiefe Versickerungsmulde. Die Pflanzgrube von insgesamt etwa zwei Meter Tiefe besteht unterhalb der Mulde aus einer etwa 100 cm tiefen Substratschicht, die optimales Wurzelwachstum gewährleiten soll. Darunter befindet sich ein circa 80 cm tiefer „Grobschlag“, eine grobkörnigere, lockere Bodenschicht, die Wasser gut speichert.

Mit der Umsetzung wird voraussichtlich Anfang 2024 begonnen. Nach und nach soll das Baumrigolenmodell auf das gesamte Hagener Stadtgebiet im Lauf der Jahrzehnte ausgeweitet werden. Das heißt, immer dort, wo neue Bäume gepflanzt beziehungsweise alte Bäume ersetzt werden, soll dies dann in Form von Rigolen umgesetzt werden, sofern es die Topografie zulässt.

Ausgelöst durch die Fluchtbewegungen aufgrund des syrischen Bürgerkriegs und auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters entstand 2016 in Augsburg die Idee, sich in einem kommunalen Partnerschaftsprojekt in der Region Nahost zu engagieren und das jordanische Ar-Ramtha zu unterstützen. Durch ihre Grenznähe zu Syrien steht die Stadt vor enormen Herausforderungen, als Aufnahmekommune für die große Anzahl von Geflüchteten ansprechende Leistungen der Daseinsvorsorge für alle Menschen in ihrem Einzugsgebiet zu erbringen.

Eine strukturierte Vorgehensweise, ein transparentes Erwartungsmanagement und gegenseitiges Vertrauen mündeten nicht nur in einen Projektpartnerschaftsvertrag, sondern auch in ein erstes gemeinsames Projekt im Bereich der Abfallwirtschaft zwischen Augsburg und Ar-Ramtha. Begleitet wurde die kommunale Zusammenarbeit von Beginn an durch einen Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik in der Augsburger Stadtverwaltung.

Konkret beabsichtigen die beiden Städte die Gründung eines kommunalen Abfallwirtschaftsunternehmens und die Erweiterung der Recyclingaktivitäten, um so die organisatorischen und Verarbeitungskapazitäten der Abfallwirtschaft in Ar-Ramtha zu stärken. Der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb steht hierbei seinem Wissen und breiten Erfahrungen beratend zur Seite. Die Lerngewinne in dieser ersten Projektphase liegen dadurch eher auf Seiten der Partner*innen in Jordanien.

Doch auch von deutscher Seite werden die Vorteile hervorgehoben. So habe man durch die gegenseitigen Besuche viel über die arabische Kultur und die Lebensrealitäten in Nahost gelernt – und damit, trotz der enormen Herausforderungen durch die hohe Anzahl der Geflüchteten in der Stadt, auch über gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch wenn die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind und vieles nicht eins zu eins übertragbar ist, geht der Blick nach Ar-Ramtha, um zu sehen, was auf Augsburg übertragen werden kann. Spätestens seit den Fluchtbewegungen im Zuge des syrischen Bürgerkriegs sind auch hier die Themen Flucht und Migration ein wichtiges innenpolitisches und auch kommunales Thema und durch die in Ar-Ramtha gewonnen Erfahrungen sieht man große Potentiale für die Integrationsarbeit der Stadt Augsburg.

Die Stadt Eltville am Rhein ist mit ihren rund 18.000 Einwohnerinnen und Einwohnern geprägt vom Weinanbau und Tourismus. Die Folgen des Klimawandels – Starkregen und Dürren – bedrohen auch die Entwicklung von Eltville. Doch die Stadt stellt sich diesen Herausforderungen und hat hierfür im Jahr 2021 den Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Außerdem ist sie eine Klimapartnerschaft mit der circa 16.000 Kilometer entfernten argentinischen Stadt Tunuyán in der Weinbauregion Mendoza eingegangen.

Obwohl die Rahmenbedingungen in beiden Kommunen in mancherlei Hinsicht sehr unterschiedlich sind, stehen die beiden Kommunen vor überraschend ähnlichen Herausforderungen. Gemeinsam mit dem Wuppertal Institut für Energie, Klima und Umwelt, der Fachhochschule Geisenheim, Landwirtschafts- und Weininstituten Argentiniens sowie der Nationalen Universität Cuyo in Argentinien erproben sie nun, wie sie ihre einzigartigen Kulturlandschaften unter sich verändernden Niederschlags- und Temperaturmustern erhalten und Erosionsprozesse vermieden werden können.

Auch im Rahmen mehrere Delegationsreisen stehen die Projektpartnerkommunen in engem Kontakt und tauschen sich im Rahmen des Programms kommunale Klimapartnerschaften nun über Möglichkeiten für einen schonenden Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser aus, ebenso stehen die Themen Klimaschutz, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Maßnahmen für mehr Chancengleichheit auf der Tagesordnung.

Die Zusammenarbeit bietet darüber hinaus viele Anknüpfungspunkte für weitere Aktivitäten. Angedacht sind beispielsweise Austauschprogramme, Forschungskooperationen und gemeinsame Projekte für den Klimaschutz. Bis 2024 entwickeln die beiden Städte einen Aktionsplan, der Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassungen in Tunuyán und Eltville beinhaltet.