Was macht die Freundschaft zwischen Brusque und Karlsruhe so besonders?
Ana Paula Bonatelli: Es ist eine sehr alte Städtefreundschaft, sie besteht seit vielen Generationen. Erste Kontakte zwischen den Städten entstanden in den 1860er Jahren im Zuge der deutschen Einwanderung nach Brasilien. Nach und nach haben sich die Bande zu einer echten Städtefreundschaft gefestigt. Die Herausforderung im Jahr 2015 bei der Anbahnung der von der SKEW geförderten kommunalen Klimapartnerschaft bestand darin, eine Partnerschaft, die auf persönlichen Freundschaften basiert, umzuwandeln in etwas Formelles. Als wir damit an die Stadtverwaltung von Brusque herangetreten sind, haben wir gemerkt, dass es viele bürokratische Hürden zu überwinden gilt. Es war das erste große internationale Projekt für eine Kommune wie Brusque.
Ragnar Watteroth: Wir wollten uns nicht nur gegenseitig besuchen, austauschen und nach einer Woche wieder nach Hause gehen, sondern wir wollten auf Augenhöhe überprüfen, ob wir gleiche Problemlagen haben. Wir haben über verschiedene Themen diskutiert und schnell erkannt: Obwohl 10.000 Kilometer zwischen uns liegen – so unterschiedlich sind unsere Situationen nicht. Beide Kommunen beschäftigen sich mit den Themen Hochwasser und Klimawandel. Über die Städtepartnerschaft sind konkrete Projekte entstanden, zum Beispiel haben wir ein Solarkataster eingeführt und nachhaltige Mobilität ausgebaut. Über diese Projekte sind neue intensive Freundschaften entstanden, die die Partnerschaft deutlich bereichert haben. Die Partnerschaft ist Schritt für Schritt gewachsen. Wir haben eine gute Grundlage geschaffen, um die Projekte voranzubringen, und auch eine Klimapartnerschaft. Unser Ziel war immer, das Thema Nachhaltigkeit auf lange Frist anzugehen, die Partnerschaft weiterzutragen und auf eine sichere administrative Basis zu stellen.
Und was hat Karlsruhe in Sachen Nachhaltigkeit von Brusque gelernt?
Ragnar Watteroth: Was mich absolut begeistert hat, war wie Brusque an die SDGs herangeht. An den Schulen wird Klimaschutz quasi zum Anfassen vermittelt. Das ist eine tragfähige Grundlage zur Umsetzung der 17 Ziele der Agenda 2030. Bei einem Schulbesuch haben wir das direkt erlebt: Die Schülerinnen und Schüler kannten die 17 Ziele und wussten, was sie unternehmen können, um sie umzusetzen. Das war ganz natürlich für die Kinder. Wir waren sehr beeindruckt! Wenn Sie bei uns an einer Schule nachfragen, was die 17 Ziele sind, ist das schwieriger. Da sind wir froh, wenn zwei oder drei Ziele genannt werden können. Inzwischen haben wir Ansätze aus der Umweltbildung, wie sie in Brasilien vermittelt wird, übernommen.
Ana Paula Bonatelli: Was Sie in Brasilien immer finden werden, ist Begeisterung! Den Willen, etwas zu bewegen und praktisch umzusetzen – deswegen wurden auch die SDGs sehr beeindruckend umgesetzt. Da gibt es Ausschüsse in einzelnen Regionen und Kommunen, die sich nur mit den SDGs befassen. Bürgerinnen und Bürger finden sich zusammen, um die SDGs zu erfüllen. Auch die Umweltstiftung FUNDEMA hat tolle Sachen gemacht, wie beispielsweise das Umweltbildungsprogramm „Sairinhas“, also die „Blaukappentangare“. Das gibt es inzwischen auch in Karlsruhe als Nachahmungsprojekt im Bereich der Umweltbildung. Das sind die Dinge gewesen, die wir einbringen konnten. Herausfordernd war für uns dabei die fachlich-technische Dimension. Wie erstellt man zum Beispiel ein Solarkataster? Wie misst man CO2-Emissionen und reduziert sie? Das sind die Dinge, die wir uns bei Karlsruhe genau anschauen konnten. Dafür sind wir sehr dankbar.
Was waren Herausforderungen und Highlights Ihrer Partnerschaften?
Cristiano Olinger: Ich glaube, die größte Herausforderung zu Anfang war die öffentliche Verwaltung. In Brusque hatten wir gleich zu Beginn der Klimapartnerschaft in zwei Jahren drei verschiedene Bürgermeister. Wenn die Stadtregierung wechselt, wirkt sich das natürlich auf die Partnerschaftsarbeit aus. Aber warum ist es uns trotz dieser politischen Unwägbarkeiten gelungen, die Partnerschaft zu einem Erfolg zu machen? Ich glaube, das steht und fällt mit Menschen. Städte und Gemeinden bestehen aus den Menschen, die da leben. Und genau so ist es bei Partnerschaften auch.
Birgit Schwegle: Doch dieser Weg, den Cristiano beschrieben hat, ist auch ein Highlight. Diesen Weg bestimmen die vielen schönen Aktionen, die wir auf die Beine gestellt haben. Zum Beispiel habe wir ein gemeinsames Logo „Heróis do Clima“, übersetzt „Klimahelden“, entwickelt, Stadtradeln und Baumpflanzaktionen organisiert. Und zur Krönung haben wir dann den Nachhaltigkeitspreis gewonnen… Das hätte ich nie erwartet, dass so etwas Großes am Ende unserer Partnerschaft stehen würde.
Was möchten Sie gemeinsam in der Zukunft erreichen?
Cristiano Olinger: Unser großes gemeinsames Ziel ist es, eine internationale deutsch-brasilianische Klimaagentur aufzubauen, mit der wir gemeinsam Projekte umsetzen. Solche Vorhaben sind von einer Kommune allein oft kaum zu stemmen. Auch wir Mitarbeitende in der kommunalen Verwaltungsarbeit haben begrenzte Ressourcen. Im neuen Projekt mit der Klimaagentur setzen wir auf Regionalisierung und dehnen das Projekt aus auf andere Städte, die teilweise auch schon mit deutschen Partnerkommunen zusammenarbeiten, wie Pomerode und Guabiruba. Wir hoffen, dass unsere Erfahrungen aus der Klimapartnerschaft Karlsruhe-Brusque sich verbreiten und dass wir gemeinsam als Landkreis Karlsruhe und Region Itajaí-Tal bei den SDGs weiterkommen.
Birgit Schwegle: Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir in beiden Ländern nachhaltige Regionen etablieren. Dazu müssen wir die Strukturen schaffen. Wir wollen die nachhaltigen Projekte der Regionen kopierbar, übertragbar und sichtbar machen.