1. Sehr geehrter Herr Armel Djine, die Bedeutung sogenannter Migrantenorganisationen (MO; auch Migrantenselbstorganisationen oder Migranten-Diaspora-Organisationen genannt) in Deutschland wächst kontinuierlich. Welche Rolle spielte der VMDO (Verbund der sozialkulturellen Migrantenselbstorganisationen in Dortmund) beim Gründungsprozess des Netzwerkes für Migrantenorganisationen (NeMO)?
Die Idee NeMO zu gründen, geht auf das Jahr 2010 zurück. Der VMDO wurde 2008 gegründet und etablierte sich als Dachorganisation vor Ort im Bereich Integration und weiterer migrantischer Belange. Früh begannen wir zu recherchieren, wen es in Deutschland in diesem Akteursfeld noch gab. 2011 stießen wir auf MiSO (MigrantInnenSelbstOrganisationen), einer dem VMDO vergleichbaren Dachorganisation in Hannover. Zusammen ging die Suche weiter und führte uns nach Stuttgart, Berlin und so weiter. Als wir genügend Akteure waren, stellten wir einem BAMF-Antrag zur Förderung migrantischer Netzwerkstrukturen. Auf VMDO-Seite war unser Geschäftsführer im Rahmen dieses Prozesses – also bei der Etablierung einer künftigen Struktur von NeMO – sehr aktiv. Vor der Gründung von NeMO im September 2015 haben wir weitere Akteure in ganz Deutschland dazu motiviert, weitere lokale und regionale Dachorganisationen zu gründen, die NeMO auf eine breitere Basis stellen sollten.
2. MO ist nicht gleich MO. Auf Bundesebene gibt es bereits organisierte Akteure in diesem Bereich; als Beispiel nenne ich BAGIV (Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland). Dieser setzt sich allerdings in Bezug auf seine Mitgliedsvereine bzw. die Herkunftsländer vor allem aus Menschen mit einem Bezug zu den „klassischen Gastarbeiterländern“ sowie Ländern des Balkans zusammen. Wie unterscheidet sich NeMO hinsichtlich der Zusammensetzung seiner Mitglieder bzw. in puncto Zielsetzung von solchen „alteingesessenen“ Vereinen?
Die Ziele von BAGIV und VMDO sind fast identisch. Aber die Art und Weise der Umsetzung unterscheiden sich. Und hier komme ich zu NeMO, das in seiner Struktur meiner Meinung nach einzigartig ist. Wir vertreten 67 Nationen in sieben Bundesländern. Über 300 Vereine sind Mitglied in unserem Netzwerk. Unser Handeln kann demnach nur kultur- und herkunftsübergreifend motiviert sein. BAGIV wurde in den 1980er Jahren gegründet. In puncto Zusammensetzung ist NeMO quasi ein „update“; einige ehemalige BAGIV-Mitglieder sind übrigens auch bei NeMO.
3. Der Spruch „think global, act local“ ist gerade in der entwicklungspolitisch aktiven Szene in aller Munde. Was macht NeMO, um gemäß dieser Philosophie zu handeln?
Ich glaube, dass gerade durch diesen Zusammenschluss vieler lokaler und regionaler Verbände NeMO große Ziele definieren kann, die aber dann von den Mitgliedern auf lokaler Ebene umgesetzt werden können. So gab es da beispielsweise ein erfolgreiches Berliner Gesundheitsprojekt, das dann in Neuss etwa nicht nochmals neu erfunden werden musste. Insofern ist NeMO eine Plattform für den Austausch von Ideen, Erfahrungen und Wissen. Und nur so kann man flächendeckend erfolgreich werden. Dies gilt auch für die Anerkennung von Engagement: NeMO erleichtert die Anerkennung von lokalem Engagement etwa durch die Politik vor Ort.
4. Was sind die ersten dicken Bretter, die Ihr Netzwerk zu bohren hat – bezogen etwa auf eine Spanne von zwei Jahren?
Noch ist NeMO jung. Nun gilt es, beide Beine fest auf die Erde zu kriegen und eine nachhaltige Struktur zu etablieren. Zu den bisher sieben Bundesländern gilt es weitere hinzuzugewinnen. Dazu gilt es bereits bestehende Netzwerke für NeMO zu gewinnen sowie die Gründung weiterer lokaler und regionaler Dachorganisationen, die dann NeMO beitreten, zu unterstützen, sodass sich das Netzwerk erweitern und Deutschland flächendeckend abdecken kann. In unserer Satzung ist es auch ausdrücklich festgehalten, dass es diesen Prozess voranzutreiben gilt. Wir haben also noch viel zu tun.
5. Wo sehen Sie NeMO in fünf Jahren?
Die Vision ist, dass wir ein Instrument schaffen, das das Miteinanderreden etwa mit der deutschen Politik, Verwaltung und anderen offiziellen Institutionen zunehmend erleichtert. Ich merkte schon, dass dies dem VMDO besser als beispielsweise dem VKII gelingt. Diese Bündelung gemeinsamer Interessen wäre allerdings nur ein Punkt, den wir uns vorgenommen haben. NeMO hat sich viel vorgenommen.
Sehr geehrter Herr Djine, ich danke Ihnen für das Interview.