Was ist los im Land des Fußballs?

Ein bemerkenswerter Einblick in die Zusammenhänge zwischen Rassismus, Kultur und Sport in Brasilien gelang der Referentin Lila Sax dos Santos Gomes am Beispiel des brasilianischen Kampfsports Capoeira. Lila Sax dos Santos Gomes, die seit 14 Jahren Capoeira praktiziert und mehrfache Deutschland- und Europameisterin sowie Weltmeisterin des Jahres 2009 in ihrer Kategorie ist, führte in ihrem Vortrag in die Thematik ein. Sie erklärte, wie sich Capoeira als Beispiel für die Unterdrückung der afrikanischen Kultur in Brasilien gegen Theorien über die Minderwertigkeit der schwarzen „Rasse“, gegen Verbote und politische Verfolgung durchgesetzt hat. Bis heute habe der Sport immer mehr an öffentlicher Anerkennung und Wertschätzung hinzugewonnen. Obwohl Rassismus in Brasilien als Verbrechen ansehen wird, seien rassistische Übergriffe aber vielerorts weiter an der Tagesordnung, wie der jüngste Fall des Taditionsclubs Gremio aus Porto Alegre zeige. Der Verein war im September aus dem nationalen Pokal ausgeschlossen worden, nachdem seine Anhänger den Torhüter von Santos als "Affen" beschimpft hatten. Auch seien die sozioökonomischen Unterschiede zwischen der schwarzen und der weißen Bevölkerung weiterhin groß, trotz des Wirtschaftswachstum und der Verbesserung der Lebensbedingungen in der Vergangenheit.

Anschließend diskutierten Nicole Selmer, die als Redakteurin für die WM-Fanbetreuung der Koordinationsstelle Fanprojekte arbeitet, Thomas Fatheuer, Vorstand des Vereins Kobra, der über zwanzig Jahre für verschiedene internationale Organisation in Brasilien tätig war, und Corinna Braun, Leiterin des Fanprojektes Hoffenheim, über die aktuelle Situation in Brasilien. Brigitte Rottberg, ehemalige Fachbereichsleiterin Logistik im WM-Büro der Stadt Kaiserslautern und seit 2008 Kommunalberaterin im Host City Programm zur WM in Südafrika 2010 und in Brasilien 2014, moderierte die Diskussion: Wie geht es weiter nach der WM und den aktuellen Präsidentschaftswahlen? Welchen Einfluss hatte die WM auf die brasilianische Fußballkultur? Waren die Investitionen in die Infrastruktur nachhaltig? Was wird aus den sozialen Bewegungen? Diese und weitere Fragen wurden gemeinsam mit dem Publikum diskutiert.

Nicole Selmer und Corinna Braun berichteten von ihren Brasilien-Besuchen mit der mobilen deutschen Fanbotschaft, die zu verschiedenen Spielorten der deutschen Mannschaft in den Nordosten und den Süden des Landes geführt hatten. Dazu präsentierten sie eine eindrucksvolle Fotovorführung. Brigitte Rottberg schilderte die Problematik der Umsiedlung ganzer Bezirke für den Bau der Stadien. Einen Überblick zur aktuellen Situation des Landes gab Thomas Fatheuer, der anschließend zu den Demonstration und den Präsidentschaftswahlen befragt wurde. Er wies darauf hin, dass es noch zu früh sei, um die Veränderungen in der Zivilgesellschaft umfassend zu beurteilen. Insbesondere die Organisationen der von den Umsiedlungen Betroffenen hätten jedoch in der Öffentlichkeit starkes Gehör gefunden. Nach dem Ende der Veranstaltung tauschten sich viele Teilnehmende in kleinen Runden noch weiter aus.