Die Einhaltung von zentralen Menschenrechten in der Lieferkette von Produkten und Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand beschafft werden, ist noch lange keine Selbstverständlichkeit. Laut dem Berliner Ausschreibe- und Vergabegesetz müssen Auftragnehmer zwar verpflichtet werden, Arbeits- und Sozialstandards in der Lieferkette einzuhalten, in der Praxis werden jedoch häufig lediglich Eigenerklärungen vorgelegt, die keinen verlässlichen Nachweis darstellen.
Der fachlichen Empfehlung der neuen Koordinatorin für Kommunale Entwicklungspolitik folgend wurden in 2018 und 2019 daher zwei Pilotausschreibungen zur Beschaffung von Natursteinen aus sozial verantwortlichem Bezug durchgeführt. Der innovative Charakter der Ausschreibungen bestand darin, dass produktspezifische Sozialstandards verankert wurden, die über die vom Berliner Ausschreibe- und Vergabegesetz als Mindeststandards vorgegebenen ILO-Kernarbeitsnormen hinausgehen. Weiterhin wurden glaubwürdige Nachweise gefordert und Eigenerklärungen explizit ausgeschlossen.
Nötig ist dies allemal: in der Natursteinindustrie kommt es regelmäßig zu Verletzungen und lebensgefährlichen Arbeitsunfällen. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter leiden durch die hohe Staubbelastung außerdem an der tödlichen Krankheit Silikose. Es ist daher unbedingt notwendig, dass der Bezirk seiner staatlichen Schutzpflicht nachkommt und sich für die Verbesserung von Arbeits- und Gesundheitsschutz einsetzt.
In 2019 weitete die Koordinatorin den Fokus auf die Beschaffung von Lebensmitteln aus, da der öffentliche Auftraggeber gerade bei dieser Produktgruppe über eine erhebliche Marktmacht und ein großes ökonomisches Steuerungspotenzial verfügt, das er für die Durchsetzung sozialer und gesellschaftspolitischer Ziele einsetzen kann: Im Rahmen der Berliner Mittagsverpflegung in der Schule werden monatlich rund 30.000 Kilogramm Reis und fast eine halbe Millionen Bananen eingesetzt. Die Koordinatorin für Kommunale Entwicklungspolitik und die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit setzten sich dafür ein, dass diese Produkte in ganz Berlin künftig ausschließlich aus dem fairen Handel bezogen werden, sofern sie aus dem Globalen Süden stammen. In Kooperation mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie erarbeiteten die beiden Verwaltungen hierzu – unterstützt durch die Christliche Initiative Romero e.V. - einen umfangreichen Kriterienkatalog.
Das Ergebnis der Bemühungen überzeugt! Inzwischen werden sowohl der Kreuzberger Mehringplatz, als auch das Fränkelufer mit zertifizierten Natursteinen gepflastert. Und im Januar 2020 wurde die Ausschreibung für das Berliner Schulessen veröffentlicht, die deutschlandweit hinsichtlich der Qualität der Sozialstandards und der Nachweisführung, sowie hinsichtlich des zu erwartenden Produktvolumens einmalig ist.