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Aufbau einer kommunalen Projektpartnerschaft
Das Beispiel der Stadt Augsburg
Die Stadt beabsichtigt, ihr entwicklungspolitisches Engagement mit einer Kommune aus dem Nahen Osten oder Nordafrika auszubauen. Sie will ihr Know-how im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge in eine Projektpartnerschaft einbringen. Verantwortlich für die Realisierung ist der Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik Jakob Bihlmayer-Waldmann. Hier sein Bericht.
„Das Schönste an Augsburg ist der D-Zug nach München“, soll Augsburgs bekanntester Sohn Bertolt Brecht gesagt haben. Diesen Satz kann ich nicht unterschreiben: Augsburg ist mit 300.000 Einwohner ein süddeutsches Mittelzentrum mit viel Grünfläche (25 Prozent der städtischen Fläche stehen unter Naturschutz), mit einer bunten Gesellschaft (41,4 Prozent der Augsburger haben einen Migrationshintergrund) und mit einem historisch einzigartigen Wasserversorgungssystem (seit 2019 UNESCO-Weltkulturerbe). Zudem ist Augsburg eine Stadt, in der entwicklungspolitische Themen bereits heute Tradition haben. Vor 24 Jahren (!) wurde Augsburgs Nachhaltigkeitsprozess, die Lokale Agenda 21 – für ein zukunftsfähiges Augsburg, gegründet; jüngst wurde er sogar von Bundesumweltministerin Svenja Schulze als „Vorbildliche Bürgerbeteiligung“ ausgezeichnet.
Nach diesem Erfolg beabsichtigt die Stadt Augsburg nun, ihr entwicklungspolitisches Engagement auch international auszubauen und eine Projektpartnerschaft mit einer Kommune aus dem Nahen Osten oder Nordafrika zu etablieren. Für dieses Engagement bin ich seit April 2019 als Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik verantwortlich. Bei dem Stellenantritt stellte ich mir folgende Fragen: Was können wir als mittelgroße Stadt zu den Herausforderungen der Kommunen im Globalen Süden beitragen? Warum mit einer Kommune aus Nahost oder Nordafrika? Was bedeutet Augenhöhe in einer Partnerschaft? Und vor allem: Wie gehen wir nun vor? – Fragen, die ich nachfolgend beantworten will.
Wie kann die Stadt Augsburg Kommunen im Globalen Süden unterstützen?
Im Unterschied zu „klassischen“ Städtepartnerschaften ist die Kooperation in Projektpartnerschaften zeitlich befristet und auf einige zentrale Themen mit – ganz entscheidend – entwicklungspolitischer Relevanz begrenzt. Daher sind Projektpartnerschaften als Teil einer deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu sehen: Kommunen verantworten die Daseinsvorsorge für die Menschen, die in ihrem Einzugsgebiet leben. Beispielsweise stellen sie die Trinkwasserversorgung sicher, produzieren und verteilen Energie und regeln das örtliche Abfallmanagement. Sie sind damit ein wichtiger Wissensträger mit praktischer Anwendungserfahrung, auf die in der internationalen Zusammenarbeit zurückgegriffen werden kann.
Warum soll in dieser Region nach einem Partner gesucht werden?
Im Kontext der sogenannten Flüchtlingskrise war es die Absicht der Stadt, eine von den Folgen des syrischen Bürgerkrieges betroffene Kommune in der Bewältigung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Da ein Engagement in Syrien aufgrund der Sicherheitssituation nicht möglich war, weitete man den Suchradius nach einer Partnerkommune auf die Region Nahost und Nordafrika aus.
Wie sind wir bislang vorgegangen?
Zunächst haben wir untersucht, welche Zielländer besonders geeignete Rahmenbedingungen für eine Projektpartnerschaft aufweisen. Als Ergebnis haben wir das aktive Suchfeld auf Jordanien, Libanon und Tunesien eingegrenzt. Insgesamt konnten wir 14 Partnerschaftsoptionen ausfindig machen, die wir anhand eines eigens entwickelten Kriterienkatalogs ausgewertet und priorisiert haben. Die ersten zwei Prioritäten – zwei Kommunen in Jordanien – haben wir im Februar 2020 mit einer dreiköpfigen Augsburger Delegation besucht, um eine mögliche Projektpartnerschaft zu prüfen. Die Ergebnisse der Reise wurden zusammen mit Mitarbeitenden der Stadt sowie sach- und regionalkundigen Bürgerinnen und Bürgern besprochen und ausgewertet.
Wie setzen wir „Augenhöhe“ in der Partnerschaft um?
Das Prinzip der Augenhöhe wird in der Entwicklungszusammenarbeit oftmals bemüht, aber nicht immer vollumfänglich berücksichtigt. Von Beginn an war es uns daher ein Anliegen, die Augenhöhe durch verschiedene Maßnahmen zu wahren. Ganz entscheidend sehen wir Augenhöhe im Projektalltag umgesetzt, wenn eine Partnerschaft von Gegenseitigkeit lebt und es einen Wissenstransfer in beide Richtungen gibt. Deshalb war es für uns bereits während des ersten Besuches eine wichtige Information, in welchen Bereichen die Stadt Augsburg von der Partnerkommune lernen und ein gemeinsames Projekt umgesetzt werden kann.
Der bislang größte Erfolg ist, dass wir mit der Gemeinde Ar-Ramtha in Jordanien eine zu uns passende Partnerkommune gefunden haben. Unser Partnerschaftsvorschlag ist im Sommer 2020 vom zuständigen Stadtratsausschuss einstimmig angenommen worden. Nun soll ein Partnerschaftsabkommen ausgearbeitet und gemeinsame Projekte umgesetzt werden.
Zwar stellen uns die Turbulenzen der Corona-Krise in der Partnerschaftsanbahnung vor enorme Herausforderungen, dennoch zeigt die Krise auf, wie wichtig kommunale Partnerschaftsarbeit ist: Staaten wie Jordanien verfügen über nicht annähernd so ausgeprägte Gesundheits- und Sozialsysteme wie wir hierzulande; sie trifft die Pandemie und ihre Folgen besonders stark. Mit der Partnerschaftsarbeit können wir ein Bewusstsein für die globalen Auswirkungen dieser Pandemie schaffen und bereits jetzt damit beginnen, eine Kommune aus dem Globalen Süden in der Bewältigung der Krise und ihrer Folgen zu unterstützen.
Kontakt
Jakob Bihlmayer-Waldmann
Nach mehreren Studien- und Arbeitsaufenthalten in Lateinamerika und im südlichen Afrika arbeitete er zuletzt als Projektmanager in der Not- und Katastrophenhilfe (Humedica International Aid) sowie in der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (KfW-Entwicklungsbank). Seit April 2019 ist er Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik der Stadt Augsburg.