Dr. Klaus Reuter: Auch der Ansatz der Klimapartnerschaften, zunächst klein anzufangen, machte Schule. Es geht zunächst immer darum, ein gemeinsames Handlungsprogramm zu erstellen – ohne große Investitionen – und dann mit kleinen Projekten zu beginnen. Erst später beantragen einige Kommunen dann Förderungen für größere Projekte mit Volumina in der Größenordnung von bis zu 500.000 Euro.
Alle Beteiligten haben gelernt, dass kleine Projekte große Wirkungen entfalten können. Ich denke da etwa an ein Projekt zwischen Schondorf am Ammersee und Leguízamo in Kolumbien. Der Klimapartnerschaft gelang es, dass die Transportboote auf einem Nebenfluss des Amazonas mit Solarenergie betrieben werden.
Wie war das Interesse der Kommunen damals? Und wie ist es heute?
Dr. Klaus Reuter: Es hat nie an Kommunen gemangelt, die mitmachen wollen. Und sie wollen sich mit ihren Partnerschaften langfristig engagieren. Es geht ihnen also nicht nur um eine Projektphase, nach der Schluss sein soll. Ihnen allen ist bewusst, dass die klimatischen Herausforderungen größer werden und ihr Engagement daher dauerhaft notwendig ist.
Über die Jahre konnten wir mitverfolgen, wie die Kommunen echte Partnerschaften mit einem großen Gemeinschaftsgefühl entwickelt haben. Diese menschliche Seite des Projekts trägt die inhaltliche Arbeit und macht das Projekt zu etwas sehr Besonderem!
Dr. Stefan Wilhelmy: Wir hatten zu Beginn erwartet, dass hauptsächlich schon bestehende kommunale Partnerschaften mit dem Projekt Klima-Aktivitäten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken wollten. Doch über die verschiedenen Phasen hinweg hat etwa die Hälfte der Kommunen, die sich für eine Klimapartnerschaft bewerben, noch keine Partner im Globalen Süden. Dieses Verhältnis zwischen erfahrenen und neuen Partnerschaften ist bis heute etwa gleichgeblieben. Wir sehen es als eine unserer Aufgaben an, die interessierten deutschen Kommunen bei der Suche nach einem geeigneten Partner zu unterstützen; und diese Beziehungen erweisen sich als sehr aktiv und stabil.
Es wird immer viel von Partnerschaften auf Augenhöhe zwischen den Nord- und den Südkommunen gesprochen. Können Klimapartnerschaften diesem Anspruch überhaupt gerecht werden?
Dr. Stefan Wilhelmy: Auf jeden Fall. Ich erinnere mich an die Auftaktveranstaltung der Pilotphase 2011 in Dar es Salaam. Die deutsche Delegation reiste – etwas überspitzt formuliert – mit einem Selbstverständnis an, dass sie als Expertinnen und Experten den Partnern aus dem Globalen Süden den Klimawandel erklären. Wir merkten aber schnell, wie hoch der Wissensstand der Partner war, weil in ihren Ländern der Klimawandel schon weit mehr Realität war als in Deutschland.
Die südafrikanische Stadt Durban hatte beispielsweise damals schon viel Erfahrung mit Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Davon profitierte nicht nur die Partnerstadt Bremen, sondern das gesamte Netzwerk. Beeindruckend war auch, wie die Vertreterinnen und Vertreter aus Moshi, einer tansanischen Stadt am Südhang des Kilimandscharo über die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Erträge der Landwirtschaft in der Region berichteten. Zu dieser Zeit war in der Partnerstadt Tübingen der Klimawandel noch sehr viel abstrakter.
Die Südpartner haben von Beginn an wichtige Impulse gesetzt und definitiv dazu beigetragen, dass die deutschen Partnerkommunen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Klimafolgenanpassung entwickeln.
Dr. Klaus Reuter: Besonders zum Umgang mit Trockenheit und extremer Hitze haben die Südkommunen viel mehr Erfahrung als wir. Aber auch in anderen Bereichen können die deutschen Kommunen viel lernen. Ich erinnere mich noch gut an den Besuch einer Delegation aus Herdecke in der philippinischen Partnerstadt Dumangas im Jahr 2016. Der Bürgermeister präsentierte uns damals eine Katastrophenwarn-App, die die deutschen Partner sehr beeindruckte. Auch die schnelle Krisen-Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern per Messenger kannten wir so nicht.
Wie haben sich die Klimapartnerschaften in den vergangenen Jahren verändert?
Dr. Klaus Reuter: Die ersten Partnerschaften waren ausschließlich mit afrikanischen Kommunen, meist aus englischsprachigen Ländern, weil dort die Sprachbarrieren am geringsten waren. Dann kamen Lateinamerika und Asien hinzu. Dabei war für viele überraschend, wie ähnlich die Probleme weltweit sind. Überall geht es um Themen wie Küstenschutz oder extreme Wetterereignisse wie Hurrikans oder Taifune. Das macht den Beteiligten nochmals sehr deutlich, dass wir alle auf demselben Planeten leben, den es gemeinsam zu schützen gilt. Außerdem merken sie, dass Lösungsvorschläge von anderen Kontinenten für sie sehr hilfreich sein können.
Dr. Stefan Wilhelmy: Die Partnerschaften waren von Beginn an langfristig angelegt und fast alle Partner arbeiten heute noch zusammen. 2019 war ich wieder in Tansania und habe im Masasi-Distrikt, der Partnerkommune des Enzkreises, gesehen, wie das vor zehn Jahren erarbeitete Handlungsprogramm immer noch den Nukleus der Partnerschaftsaktivitäten darstellt. Wir sehen allerdings auch in den vergangenen Jahren, dass die Handlungsspielräume vieler Kommunen in einigen Partnerländern enger werden. Politisch übergeordnete Faktoren beeinflussen immer kommunale Partnerschaften. Wenn etwa die brasilianische Regierung sich gegen den Klimaschutz stellt, dann wird es auch für Kommunen schwieriger, hier etwas zu bewegen. Umso wichtiger ist gerade in diesen Situationen, die kommunale Zusammenarbeit zu stärken.
Wird es in Zukunft weiterhin Klimapartnerschaften geben?
Dr. Stefan Wilhelmy: Im November 2020 haben 18 Kommunen die achte Phase der Klimapartnerschaften begonnen. Wir überlegen natürlich immer wieder, wie wir das Erfolgsmodell „Klimapartnerschaften“ weiterentwickeln können. Das Projekt ist aktuell sehr ressourcen- und personalintensiv, sodass wir pro Phase etwa zehn Partnerschaften begleiten und unterstützen können. Das ist eine gute Projektgröße, aber so wirken die Partnerschaften hauptsächlich als Leuchttürme. Ein Ziel ist, dass auch andere Kommunen in den jeweiligen Partnerländern von den Projekten profitieren können. So soll das in den Klimapartnerschaften entstehende kommunale Know-how mehr in die Breite getragen werden. Solche Multiplikationseffekte könnten wir generieren, indem sich die Klima-Kommunen in den jeweiligen Ländern zu Konvois oder Clustern zusammenschließen.
Dr. Klaus Reuter: Ich sehe zudem in einer inhaltlichen Erweiterung großes Potenzial, insbesondere im Hinblick auf Biodiversität, die ebenso wie der Klimawandel eine globale Herausforderung ist. Wenn wir über eine Skalierung nachdenken, ist eine Ausweitung des Projekts auf die europäische Ebene eine interessante Vision. Schließlich haben ja Kommunen in anderen europäischen Ländern auch Partnerschaften mit dem Globalen Süden. Besonders das authentische Klima-Handeln der deutschen Projektkommunen und ihrer Partner könnte für sie ein interessanter Anreiz zum Mitmachen oder zur Nachahmung sein.