Wie sind die Bestimmungen zur Ausfuhr verschreibungspflichtiger Medikamenten in die Ukraine derzeit?
Vor dem Krieg waren die Einfuhrbeschränkungen in die Ukraine sehr streng. Sie wurden zum Glück wieder gelockert. Das hat die Bedingungen für unsere Hilfslieferungen sehr vereinfacht. Über die Lieferung von Betäubungsmitteln müssen wir zusätzlich die Bundesopiumstelle per E-Mail informieren. Auch müssen die Betäubungsmittel für den Zoll gut zu kontrollieren sein. Sie sollten also nicht ganz hinten in die LKW gepackt werden. Deutsche Krankenhausapotheken dürfen laut Apothekengesetz auf der Basis eines Versorgungsvertrages nur Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende der Klinik mit Medikamenten versorgen. Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verabschiedete die Bundesregierung eine Allgemeinverfügung, die es Kliniken ermöglicht, Krankenhäuser oder Hilfsorganisationen in der Ukraine mit Arzneimitteln zu unterstützen.
Wie sieht es mit dem Zoll aus?
Ich erlebe den Zoll als sehr entgegenkommend und es gibt viele Vereinfachungen. Wir benötigen beispielsweise nicht für jede Ware auf dem LKW eine eigene Exportnummer. Aber wir müssen natürlich Exporterklärungen ausfüllen. Weil wir keine Zoll-Experten sind, unterstützt uns dabei ein kommerzielles Zoll-Büro. Es stellt uns seine Dienste nicht in Rechnung und gehört damit auch zum großen Kreis unserer Unterstützenden.
An der Grenze müssen zudem korrekte Importpapiere vorliegen. Dafür hat es sich als hilfreich erwiesen, bereits vor der Abfahrt Richtung Ukraine die vom Zoll erhaltenen Exportdokumente zu scannen und nach Kiew zu mailen. Wir bekommen von dort dann die auf der Basis der Exportpapiere erstellten Importpapiere zurück, die wir den Fahrern mitgeben, damit sie an der Grenze nicht lange warten müssen. Das ist ein vergleichsweise professionelles Vorgehen.
Was ist aus Ihrer Sicht bei der Unterstützung mit medizinischen Gütern das Wichtigste?
Der Bedarf muss mit den Empfängerinnen und Empfängern der Produkte in der Ukraine gut abgestimmt werden. Nur so kann das begrenzt verfügbare Geld effektiv eingesetzt werden. Fast ebenso wichtig scheint mir in der aktuellen Situation zu sein, dass unsere Gesprächspartnerinnen und -partner von einer mehrmaligen oder kontinuierlichen Hilfsleistung ausgehen können. Hier Zusagen zu machen, ist für die handelnden Personen nur möglich, weil sich eine große Zahl von Mitarbeitenden im LVR bei den Hilfsaktivitäten engagier. Diese Hilfsleistungen werden auf allen Hierarchieebenen unterstützt. Dabei ist das Engagement ganz unterschiedlich: Manche helfen nur einmal, einen LKW zu bepacken, andere sind immer dabei und wieder andere spenden Geld, damit wir Hilfsgüter kaufen können. Für alle muss die normale Arbeit weiterlaufen und deshalb müssen wir die Aufgaben auf möglichst viele Schultern verteilen. Dann ist die Zusatzbelastung für alle relativ gering.
Welche Tipps haben Sie für Kommunen, die den Transport medizinischer Güter in die Ukraine planen?
Sie sollten ihre Hilfslieferungen auf jeden Fall als „Gesamtkunstwerk“ sehen, an dem viele Menschen auf verschiedene Weise und mit unterschiedlichen zeitlichen Inputs beteiligt sind. Zudem muss man einige ganz praktische Dinge bei der Ausfuhr beachten, dann ist es nicht schwierig. Es dürfen zum Beispiel nicht zu viele brennbare Flüssigkeiten in einen Fahrzeug geladen werden, um Probleme mit Gefahrgutregelungen zu vermeiden. Weil einige Medikamente wie Insulin gekühlt werden müssen, sollten sie nicht allzu lange unterwegs sein. Wir haben deshalb Insuline und andere Arzneimittel im Sommer mit einem kleinen Transporter geliefert, weil das schneller geht als per LKW. Sobald das Insulin in der Ukraine eintraf, wurde dort die Temperatur gemessen und entsprechend die Haltbarkeit abgeschätzt. Hier zahlt sich - wie an vielen anderen Punkten - ein pragmatisches Vorgehen aus. Dann ist Vieles möglich!