Die Rolle der Kommunen bei der Umsetzung der SDGs

Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen wurde am 25. September 2015 in New York durch die UN-Generalversammlung verabschiedet. Bereits kurz darauf wurde in Nordrhein-Westfalen das wohl EU-weit umfangreichste und am stärksten konzeptionell angelegte Pilotprojekt zur Umsetzung der Agenda 2030 auf der lokalen Ebene aus der Taufe gehoben.

Beim Projekt Global Nachhaltige Kommunen (GNK) in NRW der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt in Kooperation mit der LAG 21 wurden 15 Kommunen in NRW umfassend bei der Entwicklung einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie beraten und unterstützt. An dem Projekt, das bis August 2018 abgeschlossen sein wird, haben Kommunen ganz unterschiedlicher Größe mitgewirkt: von Großstädten (wie Dortmund und Köln) über Landkreise (Steinfurt und Unna) bis hin zu kleineren Städten (wie Bad Berleburg, Bedburg, Eschweiler und Willich).

Die Zielsetzung, der konzeptionelle Ansatz und die Ergebnisse des Projekts wurden in der NRW-Landesvertretung von Annette Turmann, Projektleiterin Global Nachhaltige Kommune der SKEW, und Dr. Klaus Reuter, Geschäftsführer der LAG 21, vorgestellt. Der Projektverlauf führte in den beteiligten Kommunen vom Aufbau einer Organisationsstruktur über die Analyse der bestehenden strategischen Grundlage der Kommunalpolitik bis hin zur Entwicklung einer Strategie.

Der systematische und intensive Prozess hat dazu geführt, dass in fünfzehn der beteiligten Kommunen integrierte Nachhaltigkeitsstrategien mit kurz-, mittel- und langfristig formulierten - wo immer möglich spezifischen und messbaren Zielen und Indikatoren - entstanden sind, die auch mit konkreten Aktivitäten unterlegt sind. Insgesamt konnten in den Strategiedokumenten der 15 beteiligten Kommunen rund 1.350 Bezüge zu den Zielen (goals) und Unterzielen (targets) der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) hergestellt werden, die alle 17 SDGs mit Ausnahme von SDG 14 („Leben unter Wasser“) betreffen.

Das Projekt GNK in NRW hat damit auch deutlich aufgezeigt, wie breit und konkret die kommunale Ebene zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen kann. Nicht umsonst ist das Projekt GNK in NRW am 5. Juni 2018 vom Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung zu einem der Leuchtturmprojekte 2018 der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bestimmt und sind drei der beteiligten Kommunen (Bad Berleburg, Eschweiler und Münster) für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2018 nominiert worden.

Eine der 15 Pilotkommunen ist Solingen. Die spezifische Herangehensweise und die Erfahrungen von Solingen wurden von Ariane Bischoff dargestellt, Koordinatorin für das GNK-Projekt im Büro des Oberbürgermeisters. Sie erläuterte, dass Solingen bereits langjährige Erfahrungen mit Nachhaltigkeitspolitik habe, dass das Projekt GNK aber dazu genutzt worden sei, Nachhaltigkeit vertieft in Verwaltung und Gesellschaft zu verankern und eine verbindliche Umsetzung mit einem klaren Ziel- und Steuerungssystem einzuführen.

Von zentraler Bedeutung sei ein breiter Beteiligungsprozess in der Stadt gewesen. Am Ende habe man eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Stadt Solingen mit sechs thematischen Strängen, 24 strategischen und 56 operationellen Zielen und 210 konkreten Aktivitäten und Projekten erarbeitet, die derzeit vom Rat der Stadt in seinen diversen Ausschüssen beraten wird. Es sei gelungen, die SDGs in konkrete kommunale Handlungen zu übersetzen und mit der Nachhaltigkeitsstrategie, einem Aktionsplan, einem strategischen und operativen Zielsystem und einer Weiterentwicklung der eigenen Organisationsstruktur eine auf Dauer angelegte Nachhaltigkeitspolitik robust und auf breiter Ebene in der Stadt zu verankern.

Eine die Veranstaltung abschließende Podiumsdiskussion wurde moderiert von Johannes Krassnitzer, Globaler Koordinator des ART-Projekts des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), das weltweit Prozesse der nachhaltigen Entwicklung auf der kommunalen Ebene unterstützt. An der Podiumsdiskussion nahmen Dr. Peter Liese, MdEP, Arnoldas Abramavicius, Vizepräsident des AdR und Bürgermeister von Zarasai (Litauen), eine Repräsentantin der Generaldirektion Umwelt der Kommission und Ariane Bischoff aus Solingen teil. Im Mittelpunkt stand die Verknüpfung zwischen nachhaltiger Entwicklung auf der kommunalen Ebene und den Rahmenbedingungen auf der EU-Ebene.

Ein Schwerpunkt der Diskussion bezog sich auf den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union 2021-2027. Mehrere Redner betonten, dass der nächste MFR klare Signale in Richtung Nachhaltigkeit enthalten müsse. Peter Liese, MdEP, gab sich überzeugt, dass sich das Europäische Parlament für eine starke Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im MFR 2021-2027 einsetzen werde, es gebe dazu schon Anzeichen. Ebenfalls wurde – so etwa von Arnoldas Abramavicius – unterstrichen, dass die Weichen in der Kohäsionspolitik stark in Richtung nachhaltige Entwicklung gestellt werden müssten, um entsprechende Anreize für lokale und regionale Körperschaften zu bieten. Er berichtete aus seiner Gemeinde darüber, wie es gelungen sei, mit Hilfe der europäischen Struktur- und Investitionsfonds große Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz bei Gebäuden zu erzielen und damit wichtige Beiträge zur Erreichung der SDG-Ziele in den Bereichen Energie, Umwelt und Armutsbekämpfung zu leisten.

Die Vertreterin der Europäischen Kommission skizzierte laufende Arbeiten in der Kommission im Bereich nachhaltige Entwicklung. Gegen Ende 2018 werde die Kommission wie angekündigt ein Reflexionspapier zu einem nachhaltigen Europa in der Perspektive 2030 vorlegen, das eine Einladung an die künftige Kommission darstellen werde, die Aspekte der Nachhaltigkeit in ihre Arbeiten an einer post-2020-Strategie einzubeziehen. Insgesamt könne aus ihrer Sicht in der Kommission zuletzt durchaus eine Art Perspektivenwandel in Richtung Nachhaltigkeit beobachtet werden; wichtige Indizien dafür seien die Veröffentlichung der Kunststoffstrategie (Januar 2018) sowie die Legislativvorschläge im Bereich nachhaltige Finanzen und Einwegplastik (jeweils Mai 2018).

Den strategischen Ansatz der Arbeit auf der kommunalen Ebene am Beispiel des Projektes GNK würdigten alle Teilnehmenden der Podiumsdiskussion.

Die Veranstaltung in der Landesvertretung NRW wurde durch Abschlussworte von Dr. Angelika Poth-Mögele, Direktorin für EU-Angelegenheiten beim Rat der Gemeinden und Regionen Europas (Council of European Municipalities and Regions; CEMR), abgeschlossen. Sie hob hervor, dass das Beispiel Nordrhein-Westfalen eindrucksvoll die Relevanz und das Engagement der lokalen Ebene für die Umsetzung der SDGs zeige. Um zielstrebig handeln zu können, sei es aber erforderlich, dass die Rahmenbedingungen auch auf der europäischen und internationalen Ebene stimmten und die Kommunen dort auch eine Stimme bekämen. So sei es notwendig, dass die Europäische Kommission das Thema Nachhaltigkeit energischer angehe und dass der künftige Mehrjährige Finanzrahmen die richtigen Signale setze.

Das große Interesse an dem Modellprojekt der NRW-Kommunen insbesondere aus anderen Brüsseler Regionalbüros zeigt, dass NRW mit diesem Projekt und mit der starken Einbindung der Kommunen im Nachhaltigkeitsprozess eine Pionierrolle innehat. Die Diskussionsbeiträge bestätigten zudem die von NRW und anderen Ländern im Bundesrat vertretene Position, dass es einer 2030-Strategie zur Umsetzung der SDGs auf der EU-Ebene bedarf, auch als politische Orientierung für den kommenden MFR. Es bleibt auch zu hoffen, dass das Thema bei den wichtigen politischen Entscheidungen auf der EU-Ebene im kommenden Jahr – in den Europawahlkampagnen und bei Bestellungen der Kommission – in angemessener Weise aufgegriffen wird.